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Erinnerung an gute, alte Zeiten

Otmar Calder und Uwe Pallaks feiern ein Wiedersehen in Halle


Von Gunnar Feicht
Herford (BZ). »Und wo steht der SC Herford heute?« Beim Blick auf die Verbandsliga-Tabelle schlägt Uwe Pallaks die Hände vors Gesicht: Letzter Platz, 23 Punkte aus 26 Spielen, der Abstieg droht. Das sah vor knapp 29 Jahren ganz anders aus - und die beiden Männer, die von alten Zeiten schwärmen, waren Hauptdarsteller, als der SC Herford 1976 einen traumhaft erfolgreichen Sommer erlebte: Nach dem Gewinn des Westfalenmeister-Titels stieg der SC in die 2. Bundesliga auf, besiegte als Klassenneuling auf Anhieb Wattenscheid 09 und Bayer Uerdingen, führte nach zwei Spieltagen sensationell die Tabelle an.
Der Trainer hieß Otmar Calder, der Torjäger, dessen Namen plötzlich ganz Fußball-Deutschland kannte, Uwe Pallaks. Beide hat der Zufall nun in Halle wieder zusammengeführt. Calder, mit 64 noch ebenso vital und dynamisch wie vor 29 Jahren auf der Herforder Trainerbank, wohnt seit geraumer Zeit in der Lindenstadt, wo seine Frau bei der Firma Storck tätig ist. Pallaks ist 2004 in seinen Heimatort zurückgekehrt, nachdem er viele Jahre im Urlaubsparadies Dominikanische Republik gelebt hat. Seit der Winterpause unterstützt der 53-Jährige die Jugendabteilung seines Stammvereins SC Halle
Und holt sich deshalb auch gerne Rat bei seinem ehemaligen Trainer Calder: »Er ist ja Diplomsportlehrer und hat viel mit jungen Fußballern gearbeitet.« Doch im Gespräch spielen die glorreichen Zeiten im Herforder Jahnstadion natürlich eine Hauptrolle. Der Zweitliga-»Profifußball« von damals - eine ganz andere Welt als heute. »Die SC-Spieler haben fast alle noch volle acht Stunden am Tag gearbeitet. Aber um mit den Spitzenklubs wie Bielefeld, Wuppertal oder St. Pauli mithalten zu können, musste ich mit ihnen in der Vorbereitung sechs Wochen ein knallhartes Programm durchziehen«, erinnert sich Calder: »Von Dienstag bis Freitag wurde ab 17.30 Uhr trainiert, samstags und sonntags jeweils zweimal. Die Jungs waren oft fix und alle - aber es hat sich gelohnt.«
Das bestätigt Uwe Pallaks ohne Einschränkung. In der Spielzeit 1975/76 hatte er gemeinsam mit Uli Hegemann und Dietmar Vogt Steinhagens legendären 100-Tore-Sturm gebildet und die Spvg. in die Verbandsliga (damals höchste Amateurklasse) geschossen. Otmar Calder überzeugte ihn, den Sprung in den »Profifußball« zu wagen. Der war für den Schwimmmeister im Steinhagener Wald- und Hallenbad zunächst mit purem Stress verbunden: »Ich habe meinen Schichtbetrieb einigermaßen auf die Zeiten in Herford abgestimmt. Oft musste ich aber nach dem Training bis 23 Uhr noch im Hallenbad sauber machen, bin dann vor Erschöpfung halbtot ins Bett gefallen.«
Das Ganze für ein »Profigehalt«, das in einem guten Monat inklusive Prämien bei rund 3000 Mark lag. Aber Geld spielte nicht die entscheidende Rolle: »Wir waren eben alle total heiß auf die zweite Liga damals, wollten es als Mannschaft der Namenlosen den Großen zeigen«, erinnert sich Pallaks, dass die Euphorie vom Sommer '76 für alle Strapazen entschädigte. Deshalb hat er auch noch den Aufschrei aus 10 000 Kehlen im Ohr, der am 14. August 1976 sein erstes Zweitliga-Tor begleitete: »Manni Wehmeier hatte sich rechts durchgesetzt, zog den Ball scharf nach innen, und ich habe ihn per Direktschuss zum 2:1 ins Netz gehauen.« Am Ende war Wattenscheid mit dem argentinischen WM-Teilnehmer Carlos Babington 3:1 geschlagen, eine Woche später gewann der SC in Uerdingen (mit Friedhelm Funkel und Lorenz Köstner) 1:0, erreichte beim Mitaufsteiger Arminia Hannover ein 1:1 und vor 13 000 Fans im zweiten Heimspiel ebenfalls ein 1:1 gegen Union Solingen. Beide Unentschieden waren Treffern von Pallaks zu verdanken, der am Ende seiner ersten Zweitliga-Saison mit 14 Toren maßgeblichen Anteil an Herfords 14. Rang in der 20er-Staffel hatte. Was den Goalgetter Pallaks auszeichnete, weiß Otmar Calder bis heute ganz genau: »Er war ein Gerd-Müller-Typ, einer der im Strafraum im richtigen Moment den Hintern 'rausgestreckt hat, sich mit blitzschneller Drehung Raum verschafft hat. Und - ganz wichtig - er kannte keine Angst.«

Artikel vom 14.05.2005