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Ein-Euro-Jobber bald Azubi

Für Anja Birth erfüllt sich der Traumberuf der Erzieherin

Von Monika Schönfeld
(Text und Foto)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Von Oktober bis April hat Anja Birth (27) in einem Ein-Euro-Job bei der Elterninitiative Holtebrocker Spielhaus gearbeitet - bis zum Beginn des neuen Schuljahrs hat sie einen neuen Ein-Euro-Job bekommen. Und dann: »Ich kann meine Traum-Ausbildung machen«, jubelt Anja Birth.

Bärbel Hanke, Vorsitzende der Elterninitiative Holtebrocker Spielhaus, hätte Anja Birth schon gerne eher zur Erzieherin ausbilden lassen. Allerdings hieß es noch im Januar, die Kinder, die an der Pollstraße 30 betreut werden, seien zu jung, da alle noch nicht im Kindergartenalter. Das ist jetzt jedoch kein Problem mehr. Das AWO-Bildungswerk in Bielefeld, das Gertrude-Eilers-Zentrum, war nach einem Bewerbungsgespräch überzeugt. Ab August macht Anja Birth die berufsbegleitende Ausbildung. Das heißt: Sie arbeitet drei Tage die Woche mit den Kindern im Holtebrocker Spielhaus und geht zwei Tage zur Schule. Aufgrund ihrer Erfahrung in der Betreuung von Kindern kann sie ihre Ausbildung sogar auf drei Jahre verkürzen. Die vorherige Ausbildung zur Kinderpflegerin, die zwei Jahre gedauert hätte, entfällt. Erzieherin und Ausbilderin Renate Carow strahlt - Anja Birth wird ihre erste Auszubildende im Holtebrocker Spielhaus sein, das seit vier Jahren besteht.
»Ich arbeite gern - und bevor ich unzufrieden zu Hause herumsitze, mache ich doch lieber, was mir Spaß macht - mit Kindern arbeiten«, sagte sich Anja Birth, als sie im Oktober den Ein-Euro-Job annahm. Für die damals 26-Jährige war das viel gescholtene Gesetz Hartz IV und der Ein-Euro-Job ein Segen. Der Betrag des Arbeitslosengeldes II hat sich zum Januar für sie verdoppelt. »Jetzt bekomme ich 345 Euro und einen Mietanteil.«
Die im brandenburgischen Spremberg geborene Frau ist kurz vor der Wende nach Vetschau im Spreewald gezogen und hat dort die Mittlere Reife gemacht. Im letzten Lehrjahr zur Steuerfachgehilfin wurde sie krank. Sie wurde arbeitslos und ging als Aupair-Mädchen ins Ausland. Sie fand eine Familie in England, deren neunjährige Tochter sie betreute, dann zog sie nach Irland, wo sie für die drei Mädchen einer anderen Familie da war. Nebenbei hat sie in Irland ein Fernstudium in Kinderbetreuung absolviert - mit Auszeichnung. »Das ist überall viel wert - nur nicht in Deutschland«, musste Anja Birth später feststellen. Anscheinend hat sich das jetzt aber doch ausgezahlt.
Im Alter von 25 Jahren wollte sie wieder nach Hause, zog nach München, wo sie ein halbes Jahr als Kindermädchen arbeitete. Dann der Umzug nach Berlin, wo man ihr bei der Agentur für Arbeit sagte, sie sei zu alt für eine Umschulung. Also wieder ein Job als Kindermädchen und dann der Umzug nach Schloß Holte-Stukenbrock, wo sie mit einer Bekannten in einer Wohngemeinschaft leben konnte. »Ich habe mich bei allen Kindergärten beworben - aber nur Absagen erhalten«, berichtet sie.
Die Vorsitzende der Elterninitiative Holtebrocker Spielhaus, Bärbel Hanke, brachte den Stein ins Rollen. Sie fragte bei der Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung mbh (GAB) in Bielefeld, ob Anja Birth als Ein-Euro-Kraft arbeiten könnte.

Artikel vom 13.05.2005