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80 Jahre nach der Einschulung

Beim Klassentreffen sind alle älter als 85

Von Mario Berger (Text und Foto)
Bad Oeynhausen (WB). So ein Klassentreffen gibt es nicht alle Tage. Und Tradition wird bei den ehemaligen Real-Pro-Gymnasiasten, die 1925 eingeschult wurden, ganz groß geschrieben. Vier der ehemaligen Schulkameraden feiern bald ein Wiedersehen zu ihrer Einschulung vor 80. Jahren. Sie haben einen Vorläufer des Kant-Gymnasiums besucht, damals Pro-Gymnasium genannt.

»Es war schon eine verrückte Zeit«, erzählt Wilhelm Schormann, der sich auf das Wiedersehen im Trollinger Hof freut und es mit organisiert hat. Besonders gerne erinnert sich der 91-Jährige an die »Rennbahn« - so hieß die Klosterstraße damals im Schülerjargon. »Mit unseren schicken Schuluniformen und Schirmmützen sind wir die Rennbahn hoch und runter«, erinnert er sich. Das Flanieren hatte einen tieferen Sinn: »Für uns Schüler war das eine gute Möglichkeit, Damen anzusprechen.«
Doch es waren nicht immer nur schöne Erinnerungen. Mit einer Klassenstärke von 53 Schülern begann für den Bad Oeynhausener mit der Einschulung eine schwierige Zeit. Besonders die vielen Fremdsprachen bereiteten dem späteren Prokuristen Probleme. »Wir mussten Englisch, Latein und Französisch pauken«, erinnert sich Schormann. Überhaupt sei das Lernpensum gigantisch gewesen. »Unsere damalige mittlere Reife ist schon mit einem heutigen Abitur vergleichbar«, unterstreicht der 91-Jährige.
Dies dokumentiere auch die geringe Schülerzahl in der Abschlussklasse. Von den 54 Schülern zu Beginn haben nur 16 die mittlere Reife machen können, sagt Schormann. Gerade aus diesem Grund sei eine so hervorragende Klassengemeinschaft gewachsen, die bis zum heutigen Tag andauert: »Die Schulzeit hat uns zusammen geschweißt.« Mit dem Abschlusszeugnis in der Tasche trennten sich die Wege.
Der Zweite Weltkrieg hinterließ seine Spuren: »Fast die Hälfte der Abschlussklasse ist gefallen«, sagt Herbert Adams. Der 89-Jährige lebt heute in Lübeck und ist einer von vier noch lebenden ehemaligen Klassenkameraden. »Das 80-jährige Klassentreffen, zu dem auch die Witwen ehemaliger Mitschüler kommen, hat für uns eine große Bedeutung«, sagt Adams. Vor 40 Jahren, am Sonntag, 29. Mai 1965, wurde das erste gefeiert. Für das Quartett Grund genug, 40 Jahre später erneut zu feiern. »Seit 1975 treffen wir uns nun jedes Jahr«, erzählt Adams.
»Leider können wir heute nicht mehr das Tanzbein schwingen«, bedauert Schormann. Dennoch werde ordentlich gefeiert. »Wie es sich für ein Klassentreffen nach 80 Jahren gehört.«

Artikel vom 14.05.2005