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Tränen im Gerichtssaal -
das traurige Ende einer Ehe

Amtsrichter setzt Verfahren für drei Monate aus

Von Hans-Heinrich Sellmann
Halle (WB). Wenn im Gerichtssaal Tränen fließen, wie gestern im Haller Amtsgericht, dann sind häufig große Gefühle im Spiel. Dann geht es um Zwischenmenschliches, kurzum: die Liebe. Eine an sich schöne Sache, aber würden sich die Paare dann vor dem Kadi wiedertreffen? Eher nicht.

Meistens ist ein Wort zum anderen gekommen, hat es lautstarke Diskussionen gegeben, die in einen handfesten Streit ausufern. Da fliegen schon mal die Fetzen oder - schlimmer - auch die Fäuste. Auf der Anklagebank oder im Zeugenstand war schließlich alles ganz anders, will keiner an der Misere Schuld sein.
Im konkreten Fall hat sie ihn angezeigt, weil er ihr gedroht, sie beleidigt und schließlich auch noch geohrfeigt haben soll. Während sie als Zeugin im Flur wartet, bekommt er Gelegenheit, seine Sicht der Dinge zu schildern. In gebrochenem Deutsch will der Mann erklären, warum er sich immer noch zu ihr hingezogen fühlte, obwohl längst eine einstweilige Verfügung vorlag, sich seiner Frau nicht mehr zu nähern: »Ich habe sie trotz allem immer noch geliebt.« Für Amtsrichter Peeter-Wilhelm Pöld ist das nur schwer nachzuvollziehen, er bohrt nach - wieder und wieder. »Wir haben uns danach bei ihr getroffen«, beteuert der Mann, er habe bei ihr geschlafen, auch mit ihr. Es sei eine »versteckte Liebe« gewesen, keiner sollte davon erfahren. Abgesehen von einer Nachbarin, die gestern im Zeugenstand die Hand für ihn ins Feuer legte.
Die Geschichte vom stolzen Serben, der obendrein in der Silvesternacht auch noch betrogen worden sein soll, geht zu Herzen - bis sie in den Zeugenstand tritt. Es war alles ganz anders. Keine Versöhnung, keine gemeinsamen Nächte. Nur Streit und Schmerzen. Er soll ihr nachgestellt, aufgelauert haben. Sie wollte aber schon längst nichts mehr von ihm wissen. Sagt's mit zitternder Stimme und bricht schließlich in Tränen aus, als die Geschichte noch verworrener wird. Plötzlich liegen Mobiltelefone auf dem Richtertisch. Er soll sie per Kurznachricht wieder bedroht haben. Sie wollte sich ebenfalls per sms wieder mit ihm verabreden - sagt er.
Wem gehört welche Nummer? Richter Pöld hat genug. Er setzt das Verfahren aus, will drei Monate warten. Die ehemals Liebenden sollen sich nicht wiedersehen. Im Protokoll wird der Angeklagte sogar zitiert: »Ich gehe niemals - nie in meinem Leben mehr - zu meiner bisherigen Ehefrau.« Ob er's tut? Ob sie das wirklich will? Wer hat die Wahrheit erzählt? Die Tränen sprechen für sie. Auch der Mann an ihrer Seite. Eine neue Liebe. Viel Glück.

Artikel vom 14.05.2005