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60 Jahre danach: Aus den Gegnern wurden Freunde

Vortragsveranstaltung des Kreises zum Kriegsende

Kreis Paderborn (WV). Mit einer Vortragsveranstaltung unter dem Titel »Das ewig denkwürdige Jahr« erinnerte der Kreis Paderborn an das Kriegsende vor 60 Jahren. Landrat Manfred Müller konnte zahlreiche Besucher begrüßen, darunter den britischen Verbindungsoffizier Ian Grant. Müller betonte die enge Freundschaft mit den britischen Streitkräften, die damaligen Kriegsgegner in Europa seien heute Partner und Freunde:
»Allerdings sind die Wunden des Krieges keineswegs vollständig verheilt und verschwunden, weder bei den früheren Kriegsgegnern noch bei uns selbst. Im Namen Deutschlands haben Hitler und sein verbrecherisches Regime unsägliches Leid über die Welt gebracht. Dieses Leid hat die Deutschen am Ende des Krieges eingeholt«, so Müller.
Dr. Rainer Pöppinghege, der erste Referent des Abends, gab einen Überblick über die Ereignisse im Frühjahr und Sommer 1945. »Die ganze Gesellschaft«, so der Paderborner Hochschullehrer, »war buchstäblich in Bewegung!« Ausgebombte, Evakuierte, Soldaten, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter waren auf den Straßen unterwegs. Das Ende des Krieges wurde unterschiedlich wahrgenommen. Während die Kriegsgefangenen oder die vor allem aus Osteuropa stammenden Zwangsarbeiter die heranrückenden Amerikaner und Briten verständlicherweise als Befreier begrüßten, blickte die deutsche Bevölkerung in eine ungewisse Zukunft. Das Ende der Kampfhandlungen wurde von der überwiegenden Mehrheit als Niederlage wahrgenommen, keineswegs aber als Befreiung empfunden. Pöppinghege riet in diesem Zusammenhang zu einem differenzierten Umgang mit den Begriffen Befreiung und Niederlage.
Der zweite Referent, Waldemar Becker aus Bad Driburg, erläuterte die Kriegshandlungen im Paderborner Land im April 1945. In den elf Monaten zwischen der Invasion der Amerikaner in Nordfrankreich und der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 hatte Deutschland mehr Opfer zu beklagen als in den fünf Kriegsjahren zuvor. Im Zusammenhang mit der Einschließung des Ruhrgebiets durch die rasch vorrückenden amerikanischen Truppen kam es bei Paderborn zu heftigen Gefechten, die als »Battle of Paderborn« Eingang in die amerikanischen Kriegschroniken gefunden haben. Am 1. April 1945 schließlich rückten US-Truppen in Paderborn ein. Der so genannte Ruhrkessel wurde wenig später bei Lippstadt geschlossen.
Den Ablauf der Ereignisse der Panzerschlacht vor den Toren der Stadt Paderborn in Borchen wurde von Dr. Friedrich Gerhard Hohmann minutiös und anschaulich geschildert. Zurückgreifend auf neuere historische Forschungen begann Hohmann seine Ausführungen mit einer Biografie des amerikanischen Generals Maurice Rose, der in den Kampfhandlungen sein Leben ließ. Die Legende vom Tod des »jüdischen Panzergenerals« und einer anschließenden Vergeltungsaktion der Amerikaner sei aber inzwischen widerlegt. Die jüdische Herkunft von Rose war damals weder den Amerikanern noch den Deutschen bekannt. In der abschließenden Diskussion wurde nochmals an die Erschießung von etwa 100 jungen deutschen Soldaten erinnert, die bei den Kämpfen um Borchen zum Einsatz gekommen waren. Die Vorträge wurden mit zahlreichen Fotografien und Karten bebildert, die Kreisarchivar Wilhelm Grabe zusammengestellt hatte. Die Zuhörer erhielten insgesamt einen profunden zeithistorischen Überblick über den Zusammenbruch des nationalsozialistischen Terrorregimes im Paderborner Land.

Artikel vom 14.05.2005