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»Für den Bürokratie-Dschungelreicht keine Nagelschere!«

Günter Kozlowski (CDU): Nur massive Einschnitte bei Behörden verschaffen noch Spielräume

Vor der Landtagswahl am 22. Mai stellte sich der CDU-Kandidat Günter Kozlowski zum Gespräch mit WB-Redakteur Stefan Küppers. Der ehemalige Gütersloher Oberkreisdirektor, der ohne Reservelisten-Absicherung auf den Gewinn des Direktmandates angewiesen ist, nimmt Stellung zu den wichtigsten Fragen.
Name: Kozlowski
Vorname: Günter
Partei:CDU
Geburtsdatum:24. Januar 1953
Geburtsort:Bielefeld
Familienstand:verheiratet, zwei Töchter
Beruf:Rechtsanwalt, Geschäftsführender Gesellschafter Heroal 97-'03
politische Stationen: seit 1969 in CDU, im Vorstand CDU-Bezirksverband, Bezirks-Vertretung Bielefeld-Mitte 1975-80, Landschaftsverband 1985-90, Stadtdirektor Rahden 1982-88, OKD Gütersloh 1989 1997
Politisches Vorbild:Christian Wulff
Hobbys:Laufen, Vorsitz Kreissportbund
Stärke:breitgefächerte Erfahrungen
Schwäche:Ungeduld
Politische Schwerpunkte:Bürokratieabbau, Stärkung des Ehrenamtes
Wenn ich einen politischen   Wunsch hätte, würde...... Jürgen Rüttgers die Chance für den Neuanfang so gut nutzen wie Christian Wulff in Niedersachsen
CDU-Kandidat Günter Kozlowski gilt als Spezialist für Bürokratieabbau. Für die Interesssen des Haller Krankenhauses und des neuen Verbundes will er sich als Landtagsabgeordneter besonders einsetzen. Foto: Küppers

Zur WirtschaftkriseDie wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sind für alle Bundesländer gleich. Aber dort, wo die CDU regiert, wird es besser beim Thema Arbeitsplätze. Zuletzt haben das die Niedersachsen bewiesen. Die lagen mit der Arbeitslosigkeit vor drei Jahren noch schlechter als NRW, jetzt sind sie auf der Überholspur gegenüber NRW. Ein ganz wesentlicher Faktor für neue Arbeitsplätze ist, den Mittelstand zu ermutigen. Der ist der Jobmotor. Und ermutigen kann man ihn, indem man mit Entbürokratisierung ernst macht. Dazu ist auch Psychologie nötig. Die Menschen müssen den sicheren Eindruck haben, dass Vorfahrt für Arbeit ernst gemeint ist.
Es muss generell ein Ruck durch dieses Land gehen. Nachdem sich in 39 Jahren unendlich viel verkrustet hat, wird ein solcher Ruck auch Bewegung schaffen. Das wird alle Bereiche betreffen. Wenn einmal die Wende da ist, gibt es einen Effekt, der sich irgendwann selbst trägt und dazu führt, dass es endlich wieder aufwärts geht mit diesem Land.

Zur KapitalismuskritikNatürlich gibt es Auswüchse, die nicht in Ordnung sind. Aber wenn ich in diese Region blicke und wenn ich Unternehmerpersönlichkeiten wie den verstorbenen Storck-Seniorchef Klaus Oberwelland sehe, dann vermag ich da keine Heuschrecken-Mentalität entdecken. Es ist sicher nicht besonders klug, Leute, von denen man langfristig Investitionen erwartet, gleichzeitig lauthals zu beschimpfen.

Zum Arbeitsmarkt Wir müssen einfach wieder mehr Menschen in Arbeit bringen, das muss die Maxime sein. Wenn uns das gelingt, entschärfen sich automatisch die Probleme in den Sozialsystemen. Bundesweit haben wir nur noch rund 26 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer. Die müssen für die Sozialsysteme von mehr als 80 Millionen Menschen Abgaben erbringen. Wenn es uns nicht gelingt, dieses Missverhältnis zu bessern, dann werden die Sozialsysteme zwangsläufig zusammenbrechen. Also, sozial ist das, was Jobs schafft.
Die Zusammenlegung von Arbeits- und Sozialhilfe war ein richtiger Schritt. Nur hätte sie von vorneherein bei den Kommunen stattfinden sollen, weil die ihre Klientel kennt und die örtlichen Besonderheiten nutzen kann.
Zu den Ein-Euro-Jobs: Dass Leute im Arbeitsprozess gehalten werden, um sie an Regelmäßigkeit, Pünktlichkeit, Arbeitsbereitschaft heranzuführen, ist sicher eine sinnvolle Idee. Aber ich halte es für eine Illusion, mit diesen Ein-Euro-Jobs Hunderttausende zu beschäftigen, weil das in der Tat zu Lasten des Mittelstandes und des Handwerks geht. Es kann nicht sein, dass Schulen mit Ein-Euro-Jobbern angestrichen werden. Wir müssen stattdessen den Malermeister ermutigen, einen Gesellen einzustellen.

Zum BürokratieproblemIch verfolge dieses Thema seit Jahrzehnten intensiv. Schon als ich 1982 Stadtdirektor in Rahden war, hat die damalige Landesregierung versprochen, sie würde Bürokratieabbau betreiben. Aber man hat nie die Kraft gefunden, wirklich was zu tun.
Wir müssen aber etwas tun, damit die Mittelständler wieder bereit sind, zu investieren. Sie dürfen nicht dieses Gefühl haben: Ich muss mich mit sovielen verschiedenen Behörden herumschlagen, dass ich am Ende des Tages nicht weiß, wann ich meine Entscheidung umsetzen kann und wie viele Auflagen ich anschließend noch einhalten muss.
Zum zweiten: Wir werden nur über einen massiven Abbau bei Behörden die Freiräume gewinnen, um in Bildung zu investieren. Das Land NRW ist mit mehr als 100 Milliarden Euro Schulden finanziell hoffnungslos am Ende. Wir haben keine Spielräume mehr. Daher müssen wir massiv in der inneren Verwaltung Stellen abbauen. Das aber gelingt nur, wenn man auch an die Struktur herangeht und in diesem vielstufigen Behördenaufbau den Mut hat, eine Ebene herauszunehmen. Wenn man es mit einem Bürokratie-Dschungel zu tun hat, darf man sich als Instrument nicht eine Nagelschere nehmen.
Wir müssen die vielfältigen Doppelprüfungen, Einvernehmensregelungen und sonstigen Genehmigungsvorbehalte um eine Ebene kürzen. Beispiel: Das Bauen im Außenbereich muss natürlich eine Ausnahme bleiben. Ob diese Ausnahmen vorliegen, darüber entscheidet die Baubehörde. In Niedersachsen kann sie dies allein und abschließend, in NRW wird zusätzlich und überflüssigerweise noch die Bezirksregierung gefragt. Man verbraucht Zeit und Geld und am Ende steht im Zweifel die gleiche Entscheidung, die man vorher auch schon gehabt hat. Die kommunalen Behörden sind fachlich längst in der Lage schwierige Verfahren abschließend zu entscheiden.

Zur VerwaltungsreformDie Ebene der Bezirksregierungen soll komplett entfallen, was nicht bedeutet, dass sämtliche Aufgaben der Bezirksregierung überflüssig sind. In Niedersachsen aber war ein Drittel der Aufgaben ganz zu streichen. Für den Rest von Aufgaben werden wir drängen, sie Kreisen oder Kommunen zuzuordnen. Es wird aber noch eine Mittelinstanz geben, bei der die Restaufgaben der Bezirksregierungen und Landschaftsverbände zusammengeführt werden. Wir wollen möglichst viel Staat wegnehmen, um die Aufgaben in den kommunalen Bereich zu geben.

Zur BildungspolitikDie SPD ist seit 39 Jahren für die Schulpolitik in NRW verantwortlich. In NRW fallen registriert mehr als fünf Millionen Stunden Unterricht jährlich aus. Die Zahl nicht registrierter Ausfälle liegt mindestens ebenso hoch.
Wir wollen 4000 neue Lehrer einstellen und Schule deutlich entbürokratisieren. Lehrer machen heute viele Verwaltungstätigkeiten und brauchen dafür nicht zu unterrichten. Personal für solche unterrichtsfremden Aufgaben kann aus den Behörden kommen, die im Zuge der Entbürokratisierung frei werden. Wir wollen Funktionsstellen in Schulen auch nur noch auf Zeit vergeben, damit Lust erhalten bleibt und Erfolgskontrolle gewährleistet ist. Außerdem wollen wir den Schulen entschieden mehr Freiheit geben. Die Schule soll zum Beispiel selbst entscheiden, ob sie 45 oder 60 Minuten unterrichten will. Aber sie muss sich dann auch an den Ergebnissen messen lassen.

Zu StudiengebührenMan muss ein System finden, in dem nur der Studiengebühren zurückzahlt, der aufgrund des Studiums einen überdurchschnittlich bezahlten Beruf ausübt. Im übrigen sollen die Hochschulen autonom entscheiden, wie und was sie von Studenten nehmen. Wir brauchen auch dort Wettbewerb. Der Staat darf aber keinen Euro weniger in die Unis stecken. Im übrigen habe ich nie eingesehen, dass man in diesem Land für einen Kindergarten richtig viel Geld bezahlen muss, dafür aber umsonst studieren darf.

Zur A 33Der Kernfehler der A 33 ist, dass nicht schon vor 20 Jahren gebaut worden ist. Jeder Bau dieser Art bringt Narben mit sich, aber die wären längst vernarbt. Heute könnten wir durch die Wälder laufen, die als Ausgleichsflächen breit angelegt worden wären.

Zur KrankenhauspolitikIch hätte bezüglich des Krankenhausverbundes für Halle und Versmold gerne eine klare Entscheidung vor der Wahl gehabt. Normalerweise hätte das laufenden Anhörungsverfahren längst abgeschlossen sein müssen.
Nach dem jetzigen Stand würde der Verbund Halle/Versmold um 42 Betten geschwächt. Aber die beiden Krankenhäuser werden nur dann auf Dauer einen wirtschaftlich soliden Stand haben, wenn man den berechtigten Nachforderungen Rechnung trägt.
Offensichtlich hat man in Düsseldorfer Gesundheitsministerium auf Zeit gespielt und betrachtet nun mit Interesse, wie sich die Krankenhäuser gegenseitig beharken. Das kann nicht Sinn der Sache sein und zeugt übrigens auch von der bedauerlichen Einflusslosigkeit der jetzt das Mandat besitzenden Landtagsabgeordneten, dass sie dem Spiel kein Ende gemacht haben.

Artikel vom 14.05.2005