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Kreisgeschichte
von 1928 bis 1953
im Detail erforscht

Norbert Sahrhage legt drittes Buch vor

Von Rainer Grotjohann
Bünde (BZ). Seit langer Zeit beschäftigt sich Norbert Sahrhage mit dem dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte, insbesondere mit den regionalen und kommunalen Aspekten der Nazi-Zeit. Jetzt hat der Lehrer (Geschichte, Sozialwissenschaften und Sport) am Freiherr-vom Stein-Gymnasium seine bislang umfangreichste Arbeit abgeschlossen. 720 Seiten stark ist das Buch »Diktatur und Demokratie in einer protestantischen Region - Stadt und Landkreis Herford«.

Es erscheint mit einer Auflage von 1000 Exemplaren im Verlag für Regionalgeschichte als 18. Band der »Herforder Forschungen« des Kreisheimatvereins und liegt seit wenigen Tagen im Buchhandel für 39 Euro aus.
Zehn Jahre hat Sahrhage, der in Spenge geboren wurde und noch heute dort lebt, an diesem Buch gearbeitet. Es ist, neben vielen Publikationen in Fachzeitschriften, das dritte des Historikers nach »Juden in dieser Stadt unerwünscht« (1988) und »Bünde zwischen Machtergreifung und Entnazifizierung« (1990). Widmete er sich in den ersten beiden Büchern speziell der Bünder Lokalgeschichte, legt der 53-Jährige nun eine Publikation vor, die die Zeit des Nationalsozialismus im gesamten Landkreis Herford beleuchtet. Er kann für sich in Anspruch nehmen, die wohl umfassendste Dokumentation des Nationalsozialismus in diesem Landkreis erarbeitet zu haben.
Nicht nur weil sie lokale und regionale mit nationalen Aspekten und Fakten verbindet, sondern auch, weil die Dokumentation sowohl wirtschaftliche als auch kulturelle Entwicklungen berücksichtigt. Und weil sie obendrein nicht allein die zwölf Jahre des »Dritten Reichs« beleuchtet, sondern die Zeitspanne von 1928 bis 1953 zum Gegenstand hat.
Sahrhage hat seit 1995 akribisches Quellenstudium betrieben. Er forschte in den Archiven des Landeskirchenamtes und der Städte Bünde und Spenge, im Herforder Kommunal- und im Detmolder Staatsarchiv. Und konnte die Quellen des Berlin Document Centre nutzen, die nicht zuletzt eine komplette Auflistung aller NSDAP-Mitglieder enthalten.
Sahrhage geht es jedoch nicht um das Bloßstellen der wenigen noch lebenden Nationalsozialisten: »Ich nenne nicht die einfachen Parteimitglieder, sondern die Funktionsträger«. Vielleicht deshalb ist er auch nach den ersten Veröffentlichungen nie offen oder anonym angefeindet oder bedroht worden.
Anfang der 80-er Jahre behandelte er in einer Projektwoche mit Schülern erstmals lokale Aspekte der Nazi-Zeit. Und ist seitdem fasziniert von diesem Thema. Heute lässt er gerne Regionalgeschichtliches in den Unterricht einfließen. Wohl wissend, dass der direkte Bezug zum eigenen Umfeld bei Jugendlichen das Interesse an Geschichte weckt und stärkt.
Nach zehn Jahren Arbeit an seinem (an der Uni Bielefeld als Dissertation angenommenen) Werk hat er seiner Familie jedoch versprechen müssen, »vorerst kein Buch mehr zu schreiben«.

Artikel vom 10.05.2005