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Erinnerungen an den Einmarsch in Halle

60 Jahre nach Kriegsende: Im Abendgottesdienst in der St. Johanniskirche lesen Politiker vor

Halle (xe). Die Vergangenheit aufarbeiten, aber auch die Zukunft nicht vergessen. Anlässlich des 60-jährigen Kriegsendes wurden die Gottesdienstbesucher in der St. Johanniskirche am Samstagabend auf eine Reise durch die Vergangenheit mitgenommen. Kirchenmusikdirektor Martin Rieker gestaltete gemeinsam mit Superintendent Walter Hempelmann, Musiktherapeut Martin Boes und einigen Politikern den Abendgottesdienst.

Durch Musik und Texte zum Krieg, aber vor allem zum Frieden wurden die Menschen an das Ende Zweiten Weltkrieges erinnert. Superintendent Walter Hempelmann erläuterte den Besuchern die Bedeutung des Friedens: »Sprache des Friedens ist eine friedliche Sprache und wäre nach deutschem Verständnis eine freundliche und versöhnende Sprache«.
Ein Schriftsteller habe vorgeschlagen, das Wort »Krieg« durch »Völkermord« zu ersetzen, sagte Hempelmann. Anhand der Statistik der Todesopfer kann man hier zustimmen. Klaus-Peter Kunze (FDP) las die Zahlen vor. In der UdSSR mussten 20 Millionen, in China 10 Millionen, Polen 6 028 000 und in Deutschland 6 Millionen Menschen ihr Leben lassen. Das sind nur vier Beispiele von insgesamt 24 Ländern, in denen unschuldige Menschen gestorben sind.
Aber nicht nur diese Zahlen erzeugten Gänsehaut bei den Gottesdienstbesuchern, sondern auch der Text »Eine trügerische Idylle« von Claus Günther brachte sie zum Nachdenken. Wolfgang Bölling (SPD) las die Geschichte vor. Claus Günther erzählt hier von seinem Empfinden vom Ende des Krieges. Dazu einige Auszüge aus dem Text: »Hitler sei tot, hören wir und mögen es kaum glauben. Unser Führer, unser Idol! Gefallen? Selbstmord?«. Er war zwar froh, dass es den HitlerjugendDienst nie wieder geben würde, wusste aber nicht, wie er die Leute grüßen sollte, wenn er nicht mehr »Heil Hitler« sagen und dabei den rechten Arm heben könnte.
Den Text zum »Kriegsende in Halle Westfalen« aus der neuen Haller Chronik las Thomas Misfeld von der UWG vor. Als die Amerikaner am Ostermontag (2. April) 1945 in Halle einmarschiert waren, leistete keiner Widerstand. Trotzdem kam der Steinmetz-Meister Wilhelm Schmidt ums Leben, als er in einem Splittergraben in der Kättkenstraße Deckung suchte.
60 Jahre Kriegsende bedeuten auch 60 Jahre Frieden. Helga Lange (Bündnis 90/Die Grünen) las dazu den vierten Kapitel aus dem Text »Schwerter zu Pflugscharen« des Phropheten Micha vor: »Dann schmieden sie aus ihren Schwertern Pflugscharen und aus den Spitzen ihrer Speere Winzermesser. Kein Volk wird mehr das andere angreifen und keiner lehrt mehr das Kriegshandwerk.« Desweiteren schrieb der Phrophet: »Jeder wird in Frieden zwischen seinen Feigenbäumen und Weinstöcken wohnen, keiner braucht sich mehr zu fürchten, der Herr der ganzen Welt hat es ihnen gesagt«. Heinz-Jürgen Köster (CDU) trug den Text »Halt an, wo läufst du hin?« von Pierre Stutz und Anke Pielsticker (STU) »Der Frieden« von Eva Rechlin vor.
Jedes der einzelnen Texte, die die Politiker vorgelesen haben, wurden von Martin Rieker auf der Orgel begleitet. Es erklangen Stücke von Johann Nepomik David über Max Reger bis hin zu Johann Sebastian Bach, die die vorgelesenen Geschichten noch einmal musikalisch unterstrichen. Zum Ende hin gab es ein gemeinsames Lied »Verleih uns Frieden...«, bei dem alle Gottesdienstbesucher fröhlich mitgesungen haben. Das Friedensglockenspiel, das Musiktherapeut Martin Boes zusammen mit einigen Bewohnern des Laibachhofes gespielt hatte und die Bilder der Bielefelder Malerin Wilma Wiegmann brachten eine friedliche Stimmung in die Kirche.

Artikel vom 09.05.2005