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Meisterwerk voller Dramatik

»War Requiem« zum Kriegsende vor 60 Jahren beeindruckt Zuhörer

Von Johannes Zoller
Gütersloh/Rheda (WB). Das »War Requiem« von Benjamin Britten ist ein Jahrhundertwerk gegen das Vergessen. Auf Initiative des Städtischen Musikvereins Gütersloh wurde es am Samstag im A2-Forum zu Gehör gebracht. Die Besucher waren beeindruckt.

Allein der Titel des beeindruckenden Chor- und Orchesterwerkes weist auf die Verbindung des Bittgottesdienstes der Totenmesse mit dem historisch-tragischen Ereignis des Krieges hin. Das Meisterwerk des großen englischen Komponisten wurde denn auch anlässlich des 60. Jahrestages nach Kriegsende auf die Bühne gebracht. Insgesamt wirkten vier Chöre, zwei Orchester, drei Chorleiter als Dirigenten sowie zwei Gesangssolisten wie eine Solosopranistin mit. Eine beeindruckende Anzahl von ungefähr 300 Sängern wie Instrumentalisten ermöglichte durch ihr Engagement die Aufführbarkeit des Werkes. Dieses seltene Ereignis war denn auch ein glänzender Erfolg.
Brittens »War Requiem« ist strukturell auf dem anspruchsvollen Tritonus oder die erweiterte Quarte aufgebaut. Schon zu Beginn des einleitenden Trauermarsches wird durch dieses Intervall im Gefühl der Zuhörer eine Schwellen überschreitende Öffnung erzeugt. Die von Britten eingegliederte Vertonung der ergreifenden Antikriegsgedichte des englischen Dichters Wilfred Owen verbindet den traditionell-religiösen Gehalt des Requiem mit der aktuellen Geschichte des 2. Weltkrieges. Eine Vielzahl musikalischer Stilrichtungen wird kunstvoll zu einem modernen Werk voller Dramatik vereint. Es wird trotz intensiver Beschäftigung mit der Problematik der Unversöhnlichkeit, auf die Erlösung durch die Friedensidee hingedeutet. Die Nordwestdeutsche Philharmonie bildete das große Orchester, in Verbindung mit dem großen Chor. Dieser setzte sich zusammen aus dem Kammerchor der ev.-reformierten Kirche Warschau, der Marienkantorei Lemgo und dem Chor des Städtischen Musikvereins Gütersloh. Die aus Krakau stammende Sopranistin Barbara Dobrzanska sang ihre sehr ausdruckstarken Soli in Begleitung des großen Orchesters. Die emotional dramatischsten Partien erklangen gemeinsam mit dem Gesamtchor. Das Kammerorchester der NW-Philharmonie, unter der Leitung von Rainer Johannes Homburg, begleitete jene Partien der Owen-Gedichte in ihrer Sologesangvertonung. Den Part hatten der aus Dublin stammende Tenorsolist Paul McNamara und der in Marl geborene Bass-Bariton Markus Krause. Unter der Leitung von Sigmund Bothmann konnte der in weiß gekleidete Knabenchor, mit weiblicher Unterstützung in roten Gewändern, mit den kindlichen Stimmen der Reinheit die Friedensbotschaft vermitteln.
Die Gesamtleitung hatte der derzeitig ständige Dirigent des Sinfonieorchesters Berlin, Karl-Heinz Bloemke. Er hat neben vielen anderen Aufgaben seit 1987 auch die künstlerische Leitung des Musikvereins Gütersloh inne. Die Schirmherrschaft hatten Landrat Sven-Georg Adenauer und die Gütersloher Bürgermeisterin Maria Unger übernommen.
Deutsche Bomber hatten am 15. November 1940, während der Bombardierung der englischen Stadt Coventry, die dortige Kathedrale zerstört. Die Kathedrale von Coventry war eines der schönsten Bauwerke Englands gewesen. Benjamin Brittens »War Requiem« war im Jahr 1962 anlässlich der Weihefestlichkeiten der wiederhergestellten Kathedrale von Coventry dort uraufgeführt worden. Das Werk ist von Britten in einem überzeugt pazifistischen Geist komponiert worden. Der über alle Schranken wirkende Geist der Versöhnung und Verbrüderung war auch während des Konzertes im A2-Forum spürbar. Nach dem abschließenden Amen in Pianissimo blieb auch das Publikum noch einen »Ewigkeitsmoment« in Stille verharrend. Dann gab es lange, stehende Ovationen.

Artikel vom 09.05.2005