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Pium schweren Herzens verlassen

Ben Pol war bis 1971 neun Jahre als holländischer Nato-Soldat vor Ort

Von Katrin Niehaus
Borgholzhausen (WB). Pium haben Ben und Ernestina Pol nach wie vor in ihr Herz geschlossen. Sie kamen Anfang der 60-er Jahre mit der holländischen Nato-Einheit in die Lebkuchenstadt, verließen sie 1971 mit ihren drei hier geborenen Söhnen wieder und sind seither viermal zurückgekehrt. Jetzt verbrachten sie gemeinsam mit ihren holländischen Freunden Arie und Riet Jansen zwei Tage bei Rolf und Ilse Singenstroth.

Heute leben Ben Pol und seine mexikanische Frau in El Paso/Texas. Der Holländer war 1962 einer der ersten Nato-Soldaten, die in Pium eintrafen. »Wir kamen zu viert von Wellingholzhausen über den Hollandskopf in die Stadt herunter und hatten noch kein Dach über dem Kopf. Wie sich herausstellte, war das auch gar nicht so einfach«, erinnert sich der 69-Jährige. Sie seien von Haus zu Haus gezogen, um nach Zimmern zu fragen, doch die Menschen seien den fremden Soldaten gegenüber sehr skeptisch gewesen.
In der Gaststätte Funke, in der sie einkehrten, brach das Eis schließlich. Heinrich Nollkämper, der dort am Stammtisch saß, holte sich zunächst zu Hause den Segen seiner Frau ab, und nahm dann Ben Pol und seinen Kameraden John Smit auf. Beide waren Techniker und hatten die Aufgabe, die Raketen im Abschussbereich oberhalb der Sundernstraße zusammenzubauen und zu betreuen - aber auch das war nicht einfach.
Ben Pol: »Wir standen unter Zeitdruck, weil die Abwehrraketen schnell aufgebaut werden sollten. Der Winter 1962/63 war sehr hart. Der Beton platzte immer wieder auf, und wir hatten nur ein kaltes, fensterloses Gebäude oben auf dem Berg.« Der größte Teil der holländischen Soldaten habe zunächst nicht in der Stadt gewohnt, sondern in Osnabrück und später in einer britischen Kaserne in Bielefeld. Ob Wohnungen, Kindergarten oder Schule - das »120. Schwadron« bekam erst nach und nach eine eigene Infrastruktur. »Unser Kindergarten beispielsweise war zuerst in einer Barracke neben Strothenke. Später stellte uns Frieda Bockstette Platz in ihrer Fahrschule zur Verfügung«, erzählt der Niederländer.
Er selbst zog ebenfalls mehrfach um. Nachdem seine Frau Ernestina im Mai 1963 nach Pium gekommen war, wohnte das Paar zunächst in einer Behelfswohnung im Zentrum und dann am Klockenbrink in einer der acht für Soldaten gebauten Wohnungen. Doch die Familie wuchs schnell und fand schließlich Unter der Horst neben Leeker eine größere Bleibe.
Ben Pol wollte nicht nur in Pium wohnen und arbeiten - er wollte hier auch am Leben teilhaben und hat deshalb viel für die Völkerverständigung getan. Der rührige Soldat war dreieinhalb Jahre Fußballtrainer beim TuS Solbad Ravensberg, hat dem Karneval in der Lebkuchenstadt auf die Sprünge geholfen, gemeinsame Feste für Piumer und Niederländer organisiert und vieles mehr. »Als die Holländer 1962 nach Borgholzhausen kamen, waren viele überhaupt nicht begeistert. Als sie im Mai 1983 wieder gingen, haben viele geweint«, sagt Rolf Singenstroth.
Ben Pol und seine Familie mussten die Stadt bereits 1971 wieder verlassen - schweren Herzens. Der 69-Jährige: »Man hatte Angst, dass wir verdeutschen, deshalb wurde ich wieder in Holland stationiert und war später in den USA im Einsatz.«

Artikel vom 07.05.2005