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Von Andrea Pistorius

Paderborner
Perspektiven

Schule ist auch Lebensraum


Mal wieder wird die Schule in NRW durch Beschlüsse der Landesobrigkeit auf den Kopf gestellt: Schüler, Lehrer und Eltern müssen sich zum x-ten Mal in kurzer Zeit auf gravierende Veränderungen einstellen.
Kinder, die künftig ein Gymnasium besuchen wollen, werden mit den tiefgreifendsten Neuerungen seit der Einführung des Kurssystems in der Oberstufe Ende der 1970er Jahre konfrontiert: Sie durchlaufen die Schule in verkürzter Zeit und mit zwangsläufig erhöhtem Druck, wenn das unveränderte Lernpensum in zwölf statt dreizehn Jahren durchgepaukt werden muss; es wird eine Abschlussprüfung in Klasse 10 geben und das Zentralabitur am Ende der Klasse 12. Fünftklässler werden sich, kaum dass sie sich an das Gymnasium gewöhnt haben, schon für eine zweite Fremdsprache (ab Klasse 6) entscheiden müssen. Und Nachmittagsunterricht wird für alle Pennäler obligatorisch.
Grundsätzlich sind diese Neuerungen zu begrüßen; in der Mehrzahl der anderen deutschen Bundesländer und benachbarten europäischen Nationen sind sie längst Standard. Es kommt wie immer bei der Umsetzung von Reformen auf das »Wie« an - und da gibt es sicher noch Nachbesserungsbedarf durch das Land. Benötigt wird aber auch die Unterstützung durch die Kommunen als Schulträger und die lokale Politik.
Wenn die Lern- und Lehranforderungen steigen, dann muss der Lebensraum Schule dafür hergerichtet werden. Ganzheitlich denkende Pädagogen wünschen sich ein »Haus des Lernens«, das auch wie ein Haus ausgestattet sein sollte. Dazu gehören altersgerecht eingerichtete Aufenthaltsräume für die Schüler, in denen sie Pause machen oder selbständig lernen können, Arbeitsräume für die Lehrer, eine Mensa, Spiel- und Sportplätze direkt am Schulgebäude für die notwendige Bewegung zwischen den Schulstunden, eine wohnliche Einrichtung und so fort.
Solch eine freundlich und bedarfsorientiert eingerichtete Schule kann die Freude am Lernen und Lehren fördern. Das wäre ein erstrebenswertes Ziel. Dass die Verwirklichung Geld kostet, ist klar. Doch diese Investition in die Zukunft unserer Kinder, wie es so gern in Sonntagsreden heißt, und damit in die Zukunft unserer Gesellschaft sollte für die Städte und Gemeinden selbstverständlich sein.
Notwendig wird durch die Neugestaltung des Lebensraums Schule, in dem sich Schüler und Lehrer in wachsendem zeitlichen Umfang aufhalten, auch eine verstärkte Selbstverwaltung des Systems. Die Kommunen sollten sich auf hoheitliche Pflichten und Koordinierungsaufgaben beschränken; der Etat gehört jedoch künftig in die Eigenverantwortung jeder Schule. Sie muss in die Lage versetzt werden, über Anschaffungen selbst zu entscheiden und die Mittel nach eigenem Investitionsplan einzusetzen. Die Stärkung der Eigenverantwortung ist eine wesentliche Voraussetzung, um aus der Pflichtveranstaltung Schule den Lebensraum Schule zu entwickeln.

Artikel vom 07.05.2005