09.05.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Am Piano gar nicht piano, sondern hämmernd in die Tasten greifend: Dennis Koeckstadt.

Eine kalte Nacht mit
heißen Rhythmen

Bester Swing sorgt für Schwingung und Stimmung

Von Curd Paetzke (Text)
und Jörn Hannemann (Fotos)
Herford (HK). Kalte Füße, aber heiße Rhythmen - Herfords »Jazztime« Nummer 9 konnte trotz kühler Witterung erfreu'n. Wer aber geglaubt hatte, zu Dixieland, Swing und Blues müsste unbedingt die drückende Schwüle einer Stadt wie New Orleans gehören, um die Besucher in »Schwingungen« zu versetzen, der wurde am Freitag Abend »down by the werre-side« eines Besseren belehrt: In den elf Kneipen war schon kurz nach Beginn des jazzigen Reigens kein Durchkommen - und meistens auch kein Reinkommen - mehr.

Spielte aber keine Rolle. Wer es nicht bis nach drinnen schaffte, der genoss den Sound einfach von draußen. Hauptsache dabei sein, bei dem Festival für Kenner und Freunde jener Musik, die sofort ins Blut geht, wenn die ersten Takte erklingen.
»Wo spielen BB and The Blues Shacks?« Ein Bielefelder hatte im Getümmel das Programmheft verloren, doch dem Manne (»Ich lasse mir kaum einen Auftritt der Hildesheimer in dieser Region entgehen.«) konnte geholfen werden. The Blues Shacks servierten ihren Blues der 40-er und 50-er Jahre im »Cream«. Dort saßen und standen schon 250 Leute, bevor Henning Hauerken seinem Kontrabass überhaupt den ersten Ton entlockt hatte. Bei den starken Mundharmonika-Soli von Michael Arlt geriet nicht nur der Fan aus Bielefeld komplett aus dem Häuschen - die Herforder dankten es ebenfalls mit frenetischem Beifall.
Wer es in das »Almundo« hinein schaffte und einen Blick auf »Big Daddy Wilson und Doc Fooz« erhaschen konnte, der glaubte zunächst einmal, seinen Augen nicht zu trauen. Big Daddy singt nicht nur wie Ray Charles in seinen besten Zeiten, sondern sieht auch noch genauso aus! Was das Duo an Stimmung entfesselte - mit gefühlvollem Soul ebenso wie mit knackigem Blues -, das fällt schon unter die Kategorie »Königsklasse«. Melissa Heiden aus Osnabrück gehörte zu den Glücklichen, die im »Almundo« einen Sitzplatz gefunden hatte. »Hier bleib ich erst einmal eine Stunde und genieße Big Daddys Stimme«, sagte die 42-jährige Geschäftsfrau, die zum dritten Mal zur Kneipen-Rallye nach Herford gekommen war. Doch es gab noch viel mehr zu entdecken und vor allem natürlich zu hören. Da waren die »Boogaloo Kings« im »Ratskeller«, die in den frisch renovierten Räumen zeigten, warum sie zur Spitze der internationalen Bluesszene zählen. Wer im »Glashaus« saß, erlebte dort »Mood Indigo« mit Till Heinzelmann, Kai Starke, Fedor Ruskuc und Tobias Möller, während nur einen Steinwurf entfernt, im »Lamäng« das Quintett »Jazz-Konfekt« mit Witz und Spielfreunde mitriss. Fünf Musiker mit zwölf Instrumenten (darunter Ventilposaune und Sousaphon) erlebt man nicht alle Tage. Weiter ging's: Im »Bitter« sorgte das »Jazz-Sündikat« für sündhaft gute Musik, im »Vincent« lag dank den »Good Old Dixie Boys« New Orleans pur in der Luft, im »Backsteig« am Bahnhof marschierte die »Jazzpolizei« ein, im »Elsbach« gabĂ•s Swing vom Feinsten mit »The Swingcats« und im »Rubens« kam die aus Niedersachsen stammende Formation »Organice« immer mehr auf Touren.
Keine Frage: Alle Jazzfans werden sehen, sich wieder bei der Nummer 10!

Artikel vom 09.05.2005