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Als die Panzerkanone
um die Ecke schaute

Persönliche Erinnerungen an das Kriegsende


Steinhagen (fn). Nicht die ganz große Geschichte, sondern die persönlichen Lebensgeschichten standen am Montag im Mittelpunkt des AWO-Erzählcafés, das sich mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges befasste. Gerd Sowa moderierte das Gespräch der 30 Besucher im Heimathaus.
Und Gerd Sowa machte auch den Beginn mit seinen eigenen Erinnerungen. Als »Pimpf« mit der Kinderlandverschickung in Mittenwald in Oberbayern gelandet, habe er ein vergleichsweise gutes Los gehabt. »Kurz vor Kriegsende mussten wir dann aber doch in ein Wehrertüchtigungslager«, erzählt Sowa. Dort, am Chiemsee, sei die ganze Gruppe am 30. April auf dem Hof zusammengerufen worden. Es gab kleine Brot- und Kunsthonig-Rationen für alle und den eindeutigen »Befehl«: »Verschwindet, sucht Euch den Weg nach Salzburg.« Dort vermutete man mit der so genannten Alpenfestung noch einen sicheren Ort. Über Autobahn und Landstraße ging es Richtung Österreich, wo Gerd Sowa auch zum ersten Mal US-Amerikaner traf. »Mein erster Eindruck als Junge damals: Die Stiefel glänzen wie SpiegeleiÉ«
Andere Erzählcafé-Besucher berichteten von ihrer Kriegsgefangenschaft etwa in den Vereinigten Staaten. Karl Godejohann erinnert sich sich noch an Hunger, die Ruhr und an Läuse während der Gefangenschaft, aus der er im Juli dann entlassen wurde. Zehn Monate zuvor, am 30. September 1944, hatte er in einem Bunker die Zerstörung Bielelfeld durch alliierte Bombenangriffe miterlebt. Und, so berichtet er, viele, viele Jahre später wurde dieses Erlebnis Grundlage einer persönlichen Versöhnung. Im Rahmen einer Begegnung mit holländischen Handwerkern sagte nämlich ein Niederländer: »Ich kenne Bielefeld - von oben.« Darauf Karl Godejohann: »Und ich war im Bunker, und Sie haben mich nicht getroffen«. Darauf konnte man herzlich lachen.
Auch die Panzersperren in Steinhagen waren ein Thema. Sie wurden von den vorrückenden US-Truppen entweder umfahren oder »auseinander genommen«. Edith Godejohann erinnert sich noch an ihre erste Begegnung mit einem Panzer: »Ich hörte ein metallisch-knirschendes Geräusch, das immer lauter wurde, und dann kam so ein Kanonenrohr um die Ecke. Wir standen wie versteinert da.«

Artikel vom 05.05.2005