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Rock'n' Roll - mit Familienanschluss

1200 Besucher feiern im Stadtgarten mit drei Bands eine Riesenparty

Von Oliver Schwabe (Fotos)
und Rainer Grotjohann
Bünde (BZ). Bei Konzerten aktueller Stars haben Fotografen höchstens zehn Minuten Zeit, ihrte Bilder zu schießen. Muskelbepackte Sicherheitsleute sorgen dafür, dass ja kein Fan der Bühne zu nahe kommmt. Schön steril spulen die Bands ihr Repertoire herunter. Kontakt zum Publikum - Fehlanzeige. Im Bünder Liverpool Club (das heißt: in der Stadthalle) ist das alles anders. Aschenbecher und Biergläser auf dem Bühnenrand, jeder darf knipsen so lange er will - familiäre Atmosphäre, so mögen es die Altstars.

Apropos Altstars: Auf die erste der drei Gruppen, die am Mittwochabend auftraten, hätten die meisten der etwa 1200 Besucher wohl verzichten könnten. »Die müssen wohl die Rente aufbessern«, kommentiert einer. »Iron Butterfly« liefert Tonbrei, nudelt drei, vier Stücke herunter und geht wieder. Ihren einzigen Hit »In A Gadda Da Vida« strecken sie auf 19 Minuten. Schwamm drüber.
Von ganz anderem Kaliber Punkt zwei des Programms. Spencer Davies hat wirkliche Stars um sich geschart. Allen voran Bassist Colin Hodginson, längst in Ehren ergraut, aber auf vier Saiten von niemand zu schlagen. Und Keyboarder Tim Hardin: In weißen Pantoffeln und mit Lesebrille am Band hockt er hinter seiner Klaviatur und läßt die Orgel weinen, jaulen und wimmern. Vor vielen Jahren hat er den Platz von Steve Winwood eingenommen und bewusst nie versucht, dessen elegische Stimme zu kopieren. Gut so, und an den Tasten macht ihm (einst mit Drummer Pete York die »kleinste Big Band der Welt«) ohnehin keiner etwa vor. Bei »I'm a man« und »Keep on running« tobt das Publikum. Für einen Song kommt auch Ray Dorset (»Mungo Jerry«) auf die Bühne. Er hat's nicht weit zu den Liverpol-Club-Konzerten, erster Wohnsitz des Briten ist schließlich Bielefeld.
Ohne zwei Zugaben kommt die Spencer Davies Group nicht von der Bühne. »Jetzt wird es Ten Years After schwer haben«, unkt ein Kenner, eilt zur Theke. Und lässt noch verlauten, dass »TYA« ohne ihren Kopf und Mitbegründer Alvin Lee wohl nur noch die Hälfte wert sei.
30 Minuten später tanzt er selbstvergessen vor der Bühne, mitten in einem Pulk von Jugendlichen, die den Altersschnitt im Saal gewaltig senken. Ten Years After hat die Verjüngungskur gut getan. Der neue Gitarrist, mit 28 halb so alt wie die anderen drei Urgesteine der Kultband, lässt Altmeister Alvin Lee an diesem Abend vergessen. Joe Gooch ist keinen Deut langsamer als Tempo-Bolzer Lee, obendrein wirkt sein Spiel bei aller rohen Energie einen Tick kultivierter und technisch versierter. Von Leo Lyons' pulsierendem Bass vorangetrieben gibt das Quartett richtig Gas. Da spulen keine gelangweilten Rock-Opas ihr Programm herunter, diese Band ist noch lange nicht reif für die Rente. »Love like a man« und »Good morning little schoolgirl« klingen so, als wären sie gerade erst komponiert worden.

Artikel vom 07.05.2005