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»Anklage war ein großer Luftballon«

22-Jähriger unterschlägt DVD-Player

Versmold/Halle (igs). Die Gutmütigkeit eines behinderten Menschen in Versmold ausgenutzt zu haben und einer räuberischen Erpressung schuldig zu sein - mit diesem Vorwurf sah sich gestern ein 22-jähriger Bielefelder vor dem Amtsgericht Halle konfrontiert. Da sich das Opfer nicht mehr genau an den Vorfall erinnerte, verurteilte ihn das Gericht wegen Unterschlagung zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung.
Vor dem Vorfall Anfang April vergangenen Jahres waren der Angeklagte und das 25-jährige Opfer Freunde gewesen. Regelmäßig habe man etwas zusammen unternommen - unter anderem auch ein Bordell in Steinhagen aufgesucht. Dabei habe er ihm immer wieder Geld geliehen, sagte der 22-Jährige gestern. An die Schulden habe er seinen Freund regelmäßig erinnert. »Ich habe nie etwas bekommen.« Dann kam es zu dem DVD-Player-Vorfall, von dem gestern zwei unterschiedliche Versionen im Raum standen. Der Angeklagte erklärte, sein Freund habe ihm den Player freiwillig geliehen. Später habe er sich überlegt, das Gerät wegen der noch ausstehenden Schulden zu behalten und es verkauft. »Das war nicht richtig«, gestand er Richter Peeter-Wilhelm Pöld.
Der Vater des DVD-Player-Besitzers schilderte den Vorfall anders: Sein Sohn -Êder zu 70 Prozent behindert, infantil, gutmütig und nicht geschäftsfähig sei - habe ihm erzählt, dass er von dem Angeklagten bedroht worden sei, den DVD-Player herauszugeben. Er habe versucht, die Angelegenheit mit dem DVD-Player gütlich zu regeln - ohne Erfolg. Daraufhin hatte der Vater Anzeige erstattet. »Es ärgert mich maßlos, dass die Gutmütigkeit meines Sohnes immer wieder ausgenutzt wird. Dem will ich einen Riegel vorschieben.« Sein Sohn erinnerte sich im Zeugenstand nicht mehr genau an den Vorfall - auch nicht daran, ob er unter Druck gesetzt worden war.
»Im Zweifel für den Angeklagten« forderte der Staatsanwalt eine Geldstrafe wegen Unterschlagung, der Verteidiger des Angeklagten Freispruch: »Der Anklagevorwurf war ein großer Luftballon. Die Unterschlagung war nicht Gegenstand dieser Anklage.«
Pöld verurteilte den 22-Jährigen zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung. »Ich bin überzeugt, dass sie keine Forderungen gegenüber dem Zeugen gehabt haben. Sie wussten um seine finanziellen Verhältnisse«, verwies Pöld darauf, dass der 25-Jährige nur über ein Taschengeld verfügt. Die Zeichen für die Zukunft des Angeklagten sehe er als nicht besonders günstig. Er war bereits wegen Unterschlagung und Betrug zu einer neunmonatigen Jugendstrafe verurteilt worden, lebt zurzeit in einer sozialtherapeutischen Einrichtung.

Artikel vom 03.05.2005