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Die Bundesrepublik ist in der Vorreiterrolle

Alternativer Nobelpreisträger Dr. Hermann Scheer ruft zur nachhaltigen Energiepolitik auf

Von Henrike Kopmann
Oppenwehe (WB). »Erneuerbare Energien, eine ökonomische Sonderlast oder eine Sonderchance?«, spitzte Johannes Lackmann vom Bundesverband für Erneuerbare Energie die Frage zu. Auf dem »Mühlenheider Energietag« diskutierten der NRW-Bauminister Dr. Michael Vesper (Bündnis 90/ Die Grünen), Manfred Horter (SPD), Marianne Thomann-Stahl (FDP) und Friedhelm Ortgies (CDU).

In kämpferischem Ton rief Dr. Hermann Scheer, Präsident der Eurosolar und Träger des Alternativen Nobelpreises, dazu auf, den Weg einer nachhaltigen Energiepolitik zügig zu gehen, allen »Anfechtungen und Denunziationen zum Trotz«. Er hält eine Leistung von 49 000 Megawatt im Jahr 2015 auf Grundlage erneuerbarer Energien für realistisch. »Wir sind mitten in einer Revolution«, verkündete der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler.
Die anschließende Diskussion unter dem Thema »NRW ist erneuerbar« bot jede Menge politischen Sprengstoff. Der Präsident des Bundesverbandes für Erneuerbare Energien (BEE), Johannes Lackmann, stellte Deutschlands internationale Vorreiterstellung im Bereich der erneuerbaren Energien heraus. Der nordrhein-westfälische Bauminister Dr. Michael Vesper hob die wirtschaftlichen Potenziale hervor: In den vergangenen zehn bis 15 Jahren seien bundesweit etwa 130 000 Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien entstanden. Bezogen auf Nordrhein-Westfalen belaufe sich die Zahl auf 40 000 bis 45 000 neue Stellen. Dieses überbiete den Anteil, den »rückwärtsgewandte Energiebranchen« wie die Steinkohleförderung ausmachten. Darüber hinaus seien die neu geschaffenen Arbeitsplätze zukunftssicher. Die von der Opposition geforderten Einsparungen bei der Windenergie seien unbegründet: Seit 2001 fließe »kein Pfennig mehr« an Subventionen.
Marianne Thomann-Stahl von der FDP entgegnete, der Bürger bekomme die Auswirkungen der alternativen Energiegewinnung »in der Stromrechnung« zu spüren. Des Weiteren kritisierte sie, dass allgemein der deutsche Strompreis zu hoch sei. Hieraus resultiere »ein Rückzug in allen Wirtschaftsbereichen«. Die Liberalen lehnten die Vision, den nationalen Energiebedarf bis 2050 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu decken, kategorisch ab.
CDU-Politiker Friedhelm Ortgies (MdL) stellte klar, dass die Union den erneuerbaren Energien nicht ablehnend gegenüber stehe. Dennoch bestehe ein »Akzeptanzproblem«, was die Windkraft betreffe. »Der ungehemmte Ausbau über Jahre und die immer höher werdenden Anlagen dürfen nicht etwa zu einer »Verschandelung der Landschaft führen.« Ortgies kritisierte die von Rot-Grün beschlossene Beschränkung der Vertragslaufzeit für Atomkraftwerke. Folge sei, dass Billig-Atomstrom aus Frankreich und Tschechien importiert werde.
»Fossile Energieträger gehen zuende«, konterte Minister Vesper. Auch der Atomstrom, der sich in der Entwicklungsphase und der Endlagerung als äußerst kostspielig erwiesen hat, sei »in Verantwortung vor der Schöpfung« abzulehnen. Das »Zupflastern« der Landschaft mit Atomkraftwerken stelle keine attraktive Alternative zu Windrädern dar.
Die Kohleförderung sei »abgegrast«, so Dr. Manfred Horter (SPD). Er sehe sich nicht nur Kyoto verpflichtet, sondern hoffe auch, eine innovative »Schlüsselindustrie« in NRW zu etablieren. Schläfrigkeit koste Arbeitsplätze, so Vesper. Vor drei Jahren beispielsweise sei die Arbeit am Dieselrußfilter zurückgestellt worden. Nun punkteten französische Autohersteller mit dieser Entwicklung.

Artikel vom 02.05.2005