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»Ich habe
meinen Beruf
immer geliebt«

Webmeister schafft Mini-Museum


Von Julia Graf
Lübbecke (WB). »Eigentlich wollte ich ja Autoschlosser werden«, erzählt Leonhard Peulen. »Ich wollte gar nicht weben. Aber heute freut es mich, dass ich mich anders entschieden habe. Ich habe meinen Beruf geliebt.« Und auch 25 Jahre nach Beginn des Ruhestands hat sich für den aus dem rheinischen Erkelenz stammenden Webmeister daran nichts geändert. In liebevoller Arbeit hat Leonhard Peulen Gegenstände zusammengetragen, die seinen Beruf dokumentieren. Auf diese Weise ist beim Lübbecker ein privates Mini-Textil-Museum entstanden.
Bei Leonhard Peulen finden sich heute u.a. mehr als 400 so genannte »Webschützen«. »Der Laie nennt sie einfach Webschiffchen, aber Webschützen ist die richtige Bezeichnung«, erklärt der Fachmann. Mithilfe dieser bootförmigen Geräte aus Holz wurde beim Weben der »Schußfaden«, also der Querfaden, durchgezogen. »Heute werden Webschützen gar nicht mehr hergestellt«, erklärt Peulen. Mit moderner Technik werde der Faden mit Luft durchgeschossen.
»Die Webschützen sind alles Unikate«, so der 86-Jährige stolz über seine Sammlung. Das älteste Stück stammt von 1870 und aus dem Besitz seiner Schwiegermutter. »Im Grunde bin ich, was das Weben betrifft, doch familiär vorbelastet«, schmunzelt Peulen. Schon sein Opa mütterlicherseits habe damals im Raum Aachen in einer Samtweberei gearbeitet.
Leonhard Peulen absolvierte seine Ausbildung im Weber-Handwerk von 1933 bis 1935 in Krefeld, dort, wo auch schon zwei seiner Schwestern und ein Bruder beschäftigt waren. Aufgrund seiner Leistung bot ihm sein Arbeitgeber den Besuch der »Preußischen Höheren Spinn- und Webeschule« an. Doch die Ausbildung zum Textilingenieur endete vor Abschluss des dritten Semesters - Peulen wurde einberufen.
Nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft im August 1945 ging der jüngste von insgesamt zehn Geschwistern für kurze Zeit zur Mutter und zur jüngsten Schwester, die inzwischen in Alt-Espelkamp wohnten - doch schon bald darauf kam er nach Lübbecke, wo er 1945 heiratete und Arbeit in der Wollweberei fand, »die war damals am Gänsemarkt«, erzählt Peulen. Mit der Ausstattung dort zeigte er sich allerdings wenig zufrieden. Auf seine Initiative hin, so erzählt er, sei im Betrieb zunehmende Modernisierung eingekehrt. 14,5 Jahre war Peulen dort beschäftigt, bis sich das Unternehmen 1959 freiwillig auflöste. Sein beruflicher Weg führte daraufhin nach Spenge, wo er aufgrund seiner erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten inzwischen als Webmeister tätig war. Und seine Kenntnisse waren weiter gefragt. Viereinhalb Jahre später folgte ein Angebot von Hucke aus Nettelstedt: als Warenprüfer. »Ich glaube, im ersten halben Jahr habe ich mehr Waren zurückgehen lassen als behalten«, schmunzelt Peulen. Bei Hucke blieb er bis zum Eintritt in den - wegen einer Kriegsverletzung vorzeitigen - Ruhestand im Jahr 1980.
Nach Ende seiner Berufstätigkeit machte sich Leonhard Peulen zumeist auf Flohmärkten und in Antikläden auf die Suche nach interessanten Gegenständen aus dem Textil-Bereich, vorzugsweise in Holland - und dort wurde er auch fündig. Die Herkunft seiner gesammelten Webschützen ist international: Deutschland, England, Griechenland, Holland, Schweiz, Schweden, Norwegen, Italien, Frankreich, ja sogar aus Syrien und Thailand stammen die bootförmigen Geräte aus Holz. Und auch, was die Größe betrifft, unterscheiden sich die Webschützen entsprechend ihrer Verwendung - z.B. für Seide, Baumwolle, Kamm-/oder Streichgarn - enorm. Das größte Stück in Peulens Sammlung misst stolze 72 Zentimeter, ein mechanischer Schlauchwebschütze aus Deutschland - der kleinste gerade einmal zehn Zentimeter, »den habe ich selbst gemacht«, so Peulen.
Auch Webstühle finden sich natürlich im Mini-Museum von Leonhard Peulen. Rund 20 bis 25 Stück hat Leonhard Peulen insgesamt hergestellt, drei sind noch in seinem eigenen Besitz. Stoffwaagen, Garngewichtswaagen - die Sammlung bietet einen erstaunlichen Überblick über Beruf und Handwerk. Da Leonhard Peulen auch zu den Tüftlern zählt, dürfen auch Eigenbauten nicht fehlen, wie zum Beispiel die Zwirnmaschine. Inzwischen hat er das Sammeln aber eingestellt. Nicht nur aus Platzgründen, »man muss auch wissen, wie alt man ist«, sagt Leonhard Peulen.
Freude hat der Lübbecker übrigens aber nicht nur an handwerklichen Dingen zum Thema Weben, er schätzt auch die kleinen Spielereien: So gehört ein Mini-Webstuhl als Spieluhr zu seinen lieb gewonnenen Schätzen.

Artikel vom 30.04.2005