29.04.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Kirchen und DGB: Der Sozialstaat
wird nicht kampflos aufgegeben

Gemeinsame Kritik an aktuellen Trends zum »Sozialdarwinismus«

Von Bernhard Liedmann
(Text und Foto)
Kreis Paderborn (WV). »Wir werden den Sozialstaat nicht kampflos aufgeben«, war der einhellige Schulterschluss der katholischen und evangelischen Kirche mit den Gewerkschaften bei der Diskussion über die Zukunft des Sozialstaates am Mittwoch in der Kulturwerkstatt. Doch trotz Hartz IV und steigender Arbeitslosigkeit schien das Thema nicht auf breite Resonanz zu stoßen. Zur Podiumsdiskussion mit neun Teilnehmern kamen knapp 50 Interessierte.

Wenn der sich der aktuelle Trend des »Sozialdarwinismus« in Wirtschaft und Gesellschaft der Bundesrepublik fortsetzt, so die düstere Vision von Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Arno Klönne, gehe nicht nur die Armutsschere weiter auseinander, obwohl der Reichtum in der Gesellschaft weiter zunehme. Zu neuen dauerhaften Unterschichten würden Alleinerziehende oder Familien. So entstünden Grundmuster wie in der Dritten Welt zwischen Arm und Reich, so Klönne. Damit einher gehe, wie man derzeit bereits registrieren kann, ein Rückzug von einem erheblichen Teil der Bevölkerung aus dem politischen System.
Das »China-Argument« verdränge die Demokratie, sozialstaatliche Prinzipien seien jedoch auf europäischer Ebene durchsetzbar. Die Privatisierung von kollektiven Sicherungssystemen (Krankenkassen/Renten) oder die Absenkung des Lohnniveaus sei wenig verständlich vor dem Hintergrund, dass die Bundesrepublik nicht vor einem wirtschaftlichen Abgrund stehe. Im Gegenteil: Eine enorme Steigerung von Kapital und Gewinnen sei zu verzeichnen. Schwachstelle für den jetzigen Sozialstaat sei derzeit der Mangel an Massenkaufkraft und die deshalb fehlende Binnennachfrage.
Für die beiden Kirchen unterstrichen Landessozialpfarrerin Sigrid Reihs und der Direktor des Sozialinstituts des Erzbistums Ludger Keite, das man den Sozialstaat nicht zuletzt wegen der christlichen Soziallehre nicht aufgeben werde. Der Sozialstaat sei lange Zeit auch ein positiver Standortfaktor für Investitionen gewesen. Bedenklich sei die Entwicklung, dass immer weniger immer mehr hätten und gleichzeitig immer mehr immer weniger. Menschliche Würde und Ebenbürtigkeit. Bedenklich seien Erscheinungen wie bei der Deutschen Bank. Wenige strichen die Gewinne ein, das Risiko werde nach unten verteilt.
Dieses Beispiel kritisierte Auch die stellvertretende DGB-Bezirksvorsitzende Brigitte Grosse. 2,5 Milliarden Gewinn mit dem Ziel einer weiteren Steigerung und gleichzeitig die Gefährdung von 6200 Mitarbeitern zeuge von einem »bedenkenlosen Umgang« mit Menschen. Hartz IV habe die Kaufkraft der breiten Masse geschwächt, es sei nicht hinnehmbar, dass nur ein Jahr Arbeitslosengeld nach jahrelangen Beiträgen gezahlt werden. Unternehmen müssten im Steuersystem stärker danach steuerlich bemessen werden, ob sie Arbeitsplätze schaffen oder nicht, so ihre Forderung.

Artikel vom 29.04.2005