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»Das ist doch viel besser als Bürokram«

»Girls« Day« in Höxter und Steinheim: Mädchen bekommen Einblick in technische Berufe

Von Frank Spiegel
Höxter/Steinheim (WB). »Hier wird ja gar nicht geschrien«, wundert sich die 15-jährige Christin Korte und schaut sich auf dem Platz der General-Weber-Kaserne In Höxter um. Das hatte sie anders erwartet. Aber um Vorurteile abzubauen und Einblicke in Berufe zu geben, die derzeit noch als Männerdomäne gelten ist er da, der »Girls« Day«, an dem sich gestern im ganzen Kreis neben Christin Korte viele junge Mädchen in vielen Berufen umgesehen haben.

»Das sind alles erwachsene Menschen hier«, erklärt Oberfeldwebel Daniel Hahn den ruhigen Umgangston auf dem Kasernenhof. Dass da jemand schreien müsse, komme sehr selten vor.
Christin Korte und 18 weitere Mädchen erfuhren gestern viel über die Berufsperspektiven in der Bundeswehr. So erhielten sie einen Einblick in die Aufgaben des ABC-Abwehrbataillons 7, Ê etwa Aufklärung, Dekontamination und Wasseraufbereitung. Oberfeldwebel Markus Seiler und sein Team beantworteten alle Fragen zur Arbeit in der Höxteraner Kaserne. Vor Ort war auch Wehrdienstberater Hauptfeldwebel Jürgen Reinert. »Es kommen immer mehr Frauen zur Bundeswehr«, hat er festgestellt. Seit die Tätigkeiten dort nicht mehr nur auf den Sanitäts- und den Musikdienst beschränkt seien, sei die Nachfrage stark gestiegen. »Und das ist auch so gewollt«, so der Wehrdienstberater. Ziel sei es, im Sanitätsdienst 50 Prozent Frauen zu beschäftigen, im übrigen Bereich der Bundeswehr sollten es 15 Prozent sein.
Bis dahin müssten sich in Höxter noch einige Frauen bewerben: Von etwa 700 Soldaten sind derzeit 32 Frauen. Doch der Nachwuchs hat gestern schon Interesse bekundet. Britta Bendig (14) aus Wehrden zum Beispiel könnte sich gut vorstellen, als Soldatin im ABC-Abwehrbataillon tätig zu werden. »Das ist doch viel besser als Bürokram«, meint sie. Erst einmal will sie aber ihr Abitur am Gymnasium Beverungen machen.
So wie sie hat auch Jeanette Hillebrandt (15) Familienmitglieder, die bei der Bundeswehr arbeiten. Die Schülerin zieht es jedoch mehr zum Sanitätsdienst.
Dass sie den Beruf, den sie gestern während es »Girls« Day« kennenlernen durften nicht ausüben wollen, wissen Irena Biz (10) und Jennifer Ilkcakin (10) schon ganz genau. Die Schülerinnen der Steinheimer Hauptschule verbrachten den gestrigen Tag auf dem Gelände der Kläranlage. Abwassermeister Volker Schieborowsky erklärte ihnen den Ablauf der Wasseraufbereitung. »Das ist wirklich interessant. Wir hätten nicht gedacht, dass es hier so viel zu beachten gibt«, waren sich die beiden Mädchen einig. Sie durften nicht nur Proben nehmen, sie hatten auch die Gelegenheit, diese im Labor zu untersuchen. Der Beruf »Fachkraft für Umwelttechnik« wäre aber für beide keine Wahl, sagen sie. Sie wollen nach dem Abschluss weiter zur Schule gehen.
Auch die Jungen kamen in Steinheim beim »Girls« Day« nicht zu kurz. In der Hauptschule vermittelte der Kreislandfrauenverband unter dem Motto »Selbst ist der Mann« unter anderem Fertigkeiten im Kochen. So gab es zunächst Spargel-Erbsensuppe mit Lachs, einen Hackfleisch-Möhrenauflauf oder einen Auflauf Parmentier und zum Nachtisch Flammeri. Sie lernten aber auch Betten beziehen, Knöpfe annähen, Wäsche waschen und bügeln.
Für Gabriele Hanke von der Regionalstelle »Frau und Beruf« im Kreis Höxter ist der »Girls« Day« nach vier Jahren schon fast ein Selbstläufer. »Es ist bemerkenswert, wie sich zum Teil auch schon sehr junge Mädchen um einen Praktikumsplatz bemühen«, zog sie gestern ein positives Fazit.

Artikel vom 29.04.2005