28.04.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Auch das kirchliche Leben litt unter den Kriegsfolgen: das Münster im April 1945.

Erste demokratische
Versuche in Herford

Bereits am 27. April 1945 tagte ein Ausschuss

Von Dr. Rainer Pape
Herford (HK). Beim Einmarsch in Deutschland standen die alliierten Truppen 1945 vor der schwierigen Aufgabe, wenigstens auf lokaler Ebene sofort provisorische deutsche Verwaltungen einzusetzen, um die dringenden Bedürfnisse der notleidenden Bevölkerung zu befriedigen und Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten. Das aber konnten sie nur mit möglichst unbelasteten Einheimischen erreichen.

Denn seit ihrer »Machtergreifung« 1933 hatten die Nationalsozialisten das parlamentarische Leben und alle Parteien vernichtet - außer ihrer NSDAP. Noch vor Kriegsende, am 27. April 1945, berief der von den Amerikanern bei der Besetzung Herfords am 4. April als Oberbürgermeister eingesetzte Kämmerer Heinrich Tiemann einen »beratenden Ausschuss« ein. Er sollte »eine bessere Verbindung zwischen Stadtverwaltung und Bürgerschaft« herstellen.
Bereits in der ersten Sitzung kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den vier Vertretern der früheren Linksparteien und den vier Vertretern des bürgerlichen Lagers, da einige von ihnen NSDAP-Mitglieder geworden waren. Tiemann und sein Stellvertreter Karl Hesse (früher SPD) räumten ein, keine Alternativ-Liste eingereicht zu haben, da sie nicht bedacht hätten, dass die NSDAP-Mitgliedschaft ein Hinderungsgrund bei der Genehmigung hätte sein können. Daraufhin erklärten alle bürgerlichen Vertreter, sie wollten in dem Ausschuss nicht weiter tätig sein. Dieser Versuch, in Herford wieder ein bescheidenes parlamentarisches Leben in Gang zu setzen, gehörte zu den frühesten in den besetzten Gebieten - zu einer Zeit, als in Teilen des Deutschen Reiches noch heftig gekämpft wurde und Zusammenarbeit mit den Alliierten als Hochverrat galt.
Der Versuch wurde wiederholt: Im Arbeitszimmer Tiemanns trafen sich am 8. Mai Landwirtschaftsrat Karl Landwehr, Rechtsanwalt Ehrhard Brand, die Fabrikanten Dr. Friedrich Holzapfel und Heinrich Eickmeyer von den »Bürgerlichen«, von Seiten der »Linken« Karl Hesse, Fabrikant Heinrich Höcker, August Niemeyer und Wilhelm Bergmann. Plünderungen und Diebstähle waren ebenso Thema wie die Kasernierung von bis zu 11000 Polen und Russen (ehemalige »Fremdarbeiter« und Kriegsgefangene) in Herford, die Instandsetzung zerstörter Wohnungen, die Versorgung der Bevölkerung, die katastrophalen Verhältnisse im Lager für deutsche Kriegsgefangene oder die Entfernung ehemaliger Nationalsozialisten aus der Stadtverwaltung, die man - so wurde vorgeschlagen - zum Wegräumen des Schutts heranziehen könnte. Die Zahl der Ausschussmitglieder wurde im Juni verdoppelt, das Gremium tagte in der Folge zweimal monatlich.

Artikel vom 28.04.2005