28.04.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ein grandioses
Zusammenspiel

Günter Raphaels Werke aufgeführt

Von Gerd Büntzly
Herford (HK). Ein wahrhaft spannendes Konzert mit Werken ihres Vaters Günter Raphael gab die Geigerin Christine Raphael zusammen mit dem Pianisten Gotthard Kladetzky im Rahmen der Aulakonzerte der Hochschule für Kirchenmusik in Herford. Leider waren nur wenige Besucher gekommen, um diesen außergewöhnlichen Abend mitzuerleben.

Wie Professor Schönstedt, der Rektor der Hochschule, erläuterte, war Günter Raphael, der wegen seines jüdischen Großvaters ab 1934 verfemt wurde, ein geistig außerordentlich beweglicher Mensch, der in seiner Musik ohne jede Berührungsängste die ganze Spannweite von traditionellen Formen bis zur Zwölftonmusik erklingen lässt. Die Sonate in E-Dur für Violine und Klavier gibt davon eine Vorstellung. In ihr scheint der Komponist energisch die Brahmssche Traditionslinie ins 20. Jahrhundert hinein zu verlängern: Kraftvolle Akkorde im Klavier zur Violinstimme wechseln zu fugierten Teilen, in denen Klavier und Violine miteinander in anspruchsvoller Rhythmik die Themen verarbeiten. Gelegentliche modale Harmonik, die herbe Dissonanzen nicht scheut, beherrscht den Klang. Geradezu volkstümlich dagegen gibt sich »Jabonah«, eine Ballettsuite nach mongolischen Weisen. Diese Musik, die auf Enescu und Liszt zurückweist, gehört trotzdem ganz ins 20. Jahrhundert, weil sie mit Geräuschelementen die spezifische Tonsprache fernöstlicher Musik zu imitieren trachtet und gelegentlich »lärmend« wird (wie es bei Bartok einmal heißt), um etwa das Vorwärtsdrängen einer Karawane darzustellen.
Leider waren nur diese beiden Werke des Meisters zu hören. Aufgrund widriger Umstände musste ein drittes, das vorgesehen war, ausfallen. Dafür entschädigten die beiden Solisten mit einer hinreißenden Darstellung von Claude Debussys Sonate g-moll für Violine und Klavier sowie den Vier Stücken op. 17 von Josef Suk. Christine Raphael meistert die Geige mit berückender Schwerelosigkeit. Die absolute Reinheit ihrer Intonation erstreckt sich bis in die höchsten Töne, ihre Virtuosität scheint keine Grenzen zu kennen. Gotthard Kladetzky überzeugte mit dem ganzen Klangreichtum Debussys; und beide Künstler bewiesen eine beglückende Intensität des Zusammenspiels, die sich im Laufe des Abends immer nur verstärkte.
Es wäre schön, wenn wir in Herford bald noch mehr von Günter Raphael zu hören bekämen. Diesen Komponisten lohnt es sich der Vergessenheit zu entreißen.

Artikel vom 28.04.2005