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Vor 60 Jahren Weichen
für Neuanfang gestellt

Der erste demokratische Kreisausschuss nach dem Krieg

Von Klaus-Peter Schillig
Halle (WB). Zwölf Jahre lang hatten die Deutschen Gehorsam verinnerlicht. Während des »Dritten Reiches« waren die politischen Gremien vor Ort nach der Machtübernahme 1933 entmachtet worden. In Halle trat am 28. April - also heute vor 60 Jahren - erstmals wieder ein Kreisausschuss zusammen - ein Rückblick in der WB-Serie »60 Jahre danach«.

Der Krieg war noch gar nicht offiziell beendet, da stellte die britische Militärregierung im Kreis Halle bereits die Weichen für einen demokratischen Neuanfang. Auf Vorschlag der Amtsbürgermeister waren sieben Personen aus allen Orten des Kreises berufen worden, um den von der Militärregierung eingesetzten kommissarischen Landrat, den ehemaligen Bürgermeister Heinz Wellenbrink aus Bremen, bei seiner Arbeit zu unterstützen.
Wellenbrink selbst unterzeichnete damals die Einladung zur ersten Sitzung des Kreisausschusses an den Bauern Eduard Voltmann aus Barnhausen, den Landwirt Friedrich Kahmann aus Halle, den Werkmeister Heinrich Wolf aus Halle, den Fabrikanten Heinrich Niederstadt aus Steinhagen, den Bauern Heinrich Schmull aus Loxten, Frau Frieda Hogreve aus Versmold und Apotheker Dr. Paul Witter aus Werther.
Der Kreisausschuss hatte vor der Nazi-Diktatur eigentlich ähnliche Befugnisse wie noch heute, hatte beispielsweise über alle finanziellen Angelegenheiten des Kreises Halle zu entscheiden. Er war ein Gremium des Kreistages, der nach der Wahl von 1933 noch genau ein Mal getagt hatte, dessen Befugnisse dann aber alle auf den Kreisausschuss übergegangen waren. Und auch der wurde 1939, mit Beginn des Krieges, abserviert. Fortan hatte allein der Landrat zu entscheiden - getreu dem »Führerprinzip«.
Nicht nur auf Kreisebene, auch für die Stadt und das Amt Halle wurden im April 1945 ein Verwaltungsausschüsse ins Leben gerufen. Werkmeister Heinrich Wolf, der später als Landrat den kommissarischen Amtsinhaber Wellenbrink ablöste, gehörte auch zur Haller Gemeindevertretung - gemeinsam mit Lederhändler Hermann Volkmann, Bauer Wilhelm Telgenwerth, Innenarchitekt Walter Ostkirchen, Rentner Wilhelm Müller und Fabrikarbeiter Friedrich Küch. Alle Personen, so steht es ausdrücklich in der damaligen Niederschrift, waren nicht Mitglieder der NSDAP. Der Verwaltungsausschuss des Amtes setzte sich aus den Bürgermeistern der jeweiligen Gemeinden zusammen.
Der Kreisausschuss hatte bei seiner ersten Sitzung am 28. April als wichtigsten Punkt die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung zu besprechen. Denn der Lieferverkehr war durch die Wirren der letzten Kriegstage fast zum Erliegen gekommen. Weitere Themen der Tagesordnung waren die Offenhaltung der Geschäfte, die Zahlung von Unterstützungen, die Dienststunden der Behörden und Personalangelegenheiten.
Die Ausschüsse, gedacht als Verbindungsglied zwischen Verwaltung und Bevölkerung, blieben übrigens bis zum 31. Januar 1946 im Amt. Erst dann wurden von der britischen Militärregierung neue parlamentarische Gremien ernannt.

Artikel vom 28.04.2005