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Fußball ist nicht mehr alles

Andy Senk und Sedat Akcay: Zwei Ex-Profis dominieren die Torjägerliste

Von Elmar Neumann (Text und Fotos)
Kreis Paderborn (WV). Nicht immer taugt eine persönliche Autogrammkarte als verlässlicher Indikator für eine traumhaft verlaufene Sportler-Karriere. Zwei mit überdurchschnittlich viel Talent gesegnete Kicker, die diese These bestätigen müssen, sind derzeit in der Kreisliga A am Fußball. Einst hatten Andy Senk (SCV Neuenbeken) und Sedat Akcay (SV Marienloh) eine Profi-Laufbahn im Visier, jetzt haben sie den Torjägertitel im Paderborner Oberhaus vor Augen.

33 Treffer hat Akcay in den bisherigen 23 Meisterschaftsspielen für den Ligazweiten Marienloh erzielt, 30-mal war Senk für den Tabellendritten SCV Neuenbeken erfolgreich. Quoten, die erahnen lassen, dass dieses Duo im Zenit seiner Leistungsfähigkeit nichts in der siebten Liga verloren hatte.
Als der jetzt 25-jährige Türke noch träumen durfte und sich auf einer Autogrammkarte wiederfand, war er in Diensten Borussia Dortmunds (1996 bis 2000). Akcay schoss die A-Junioren des BVB zweimal zum Deutschen Meister-Titel, wurde für seine Leistungen im Dortmunder Dress aber nie so respektiert, wie er es für angemessen gehalten hätte. Es folgte der Wechsel zum türkischen Erstligisten Bursaspor und damit der Anfang vom Ende der professionellen Perspektive. Aufgrund unüberbrückbarer Differenzen mit Trainer Jörg Berger und den Vereins-Verantwortlichen kehrte der Familienvater (Tochter Selenay ist 14 Monate alt) nach wenigen Monaten am Bosporus so frustriert wie entnervt nach Deutschland zurück. Eineinhalb Jahre blieb der Angreifer ohne Ballberührung, ehe er über die Stationen Türk-Gücü Paderborn und Erkeln im vergangenen Sommer den Weg zum SV Marienloh fand. Doch nicht nur den Klub hat er gewechselt, auch Akcays Prioritäten haben sich verändert: »Die Zeiten, in denen Fußball für mich das Wichtigste war, sind vorbei. Ich spiele gerne, aber an erster Stelle steht jetzt meine Familie. Dann kommt der Beruf und dann mein Hobby.« Äußerlich spiegelt sich dieses Ranking in ein paar Kilogramm Übergewicht wider. Trotzdem weiß Spielertrainer Michael Schwarz nur zu gut, was er an seinem Top-Stürmer hat: »Auch wenn man es ihm nicht auf den ersten Blick ansieht: Wenn Sedat antritt, kommt kaum jemand hinterher. Diese Stärke, gepaart mit seiner perfekten Schusstechnik und der Fähigkeit den Ball abzuschirmen, machen ihn zu einem so überragenden Spieler.«
Mehr als ein Drittel aller SVM-Treffer (96) gehen auf Akcays Konto, gar die Hälfte aller Tore seines Teams hat André Senk - in Fußballerkreisen vornehmlich als Andy Senk bekannt - erzielt. Allein gesundheitliche Probleme waren es, die seinen großen Traum von der Profi-Laufbahn platzen ließen. Vom Landesligisten (!) SW Suttrop zum 1. FC Köln gewechselt, durfte der ehemalige Mastbrucher in der Saison 1993/1994 mit Stars wie Toni Polster und Bodo Illgner trainieren und bei den FC-Amateuren spielen. »Spielerisch konnte ich gut mithalten, nur konditionell hatte ich Probleme«, erinnert sich »Lollo« Senks Sohn. Es lief vielversprechend, bis das hintere Kreuzband riss - eine Verletzung mit Seltenheitswert und kapitalen Folgen: »In 500 Fällen erwischt es nur einmal das hintere Kreuzband, sonst immer das vordere. Damit war ich Sportinvalide.«
Senk kehrte zur DJK Mastbruch zurück und musste wenig später einen zweiten herben Rückschlag hinnehmen. 24 Monate war der Außendienstler krankheitsbedingt zum Zuschauen verurteilt. Eine zweijährige Leidenszeit, die erst in der Winterpause 2003/2004 mit seinem Engagement beim Landesligisten BV Bad Lippspringe ein Ende nahm. Aus dem Kurwald lockte ihn SCV-Trainer Richard Birne mit Beginn der laufenden Serie ins Beketal. »Andy macht hier nicht den Larry auf dem Dorf, sondern sieht sich als ein Bestandteil des Teams«, hat Birne ein äußerst bescheidenes »Schnäppchen« an Land gezogen, das seine Karriere in Neuenbeken beenden will. Zuletzt erteilte Senk dem SV Anreppen eine Absage. Der Bürener A-Ligist wollte den Ex-Kölner zur neuen Saison als Spielertrainer verpflichten, doch den mit einem solchen Posten verbundenen Mehraufwand will sich der Vater von Sascha (16 Jahre) und Stella Marie (14 Monate) nicht mehr zumuten: »Auch bei mir haben sich die Prioritäten verschoben. Fußball ist nicht mehr alles.« Mit neuen Autogrammkarten von Andy Senk und Sedat Akcay ist so schnell nicht wieder zu rechnen.

Artikel vom 27.04.2005