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Gärtnerfreuden der literarischen Art

Schauspieler Siegfried W. Kernen begeisterte auf Schloss Hollwinkel

Hedem/Schloss Hollwinkel (mo). »Kennen Sie das Glück, einer Stimme zu lauschen, die vorliest?«, fragte Renate Kabermann ihre Gäste auf Schloss Hollwinkel bei ihrer Begrüßung. Um der ganz besonders klar artikulierten Stimme von Siegfried W. Kernen zu lauschen, waren an diesem Abend zahlreiche Besucher gekommen. »Es ist sehr schön, nach zwei Jahren wieder hier zu sein«, freute sich Schauspieler Siegfried W. Kernen, der sich mit seinen vielbeachteten Literaturlesungen auch hier ein Publikum erworben hatte.

»Gartenfieber oder die Komödie vom grünen Daumen« war der Abend benannt, in dessen Mittelpunkt das Werk von Karel Capek »Jahr des Gärtners« stand. »Wir halten uns nicht lange in den Räumen des Schlosses auf, sondern begeben uns literarisch gleich in den Garten«, lud Kernen seine Zuhörer ein. Musikalisch wetteiferten die »Tulpen aus Amsterdam« zum Auftakt mit den »Rosen aus Tirol«, arrangiert und vorgetragen von Thomas Goralczyk (Klavier) und Martin-Karl Wagner (Flöte). Immer wieder vervollständigten sie durch ihre Musik den jahreszeitlichen Gartenreigen, der natürlich mit dem Frühling begann. Liebevoll ironisch sieht der tschechische Autor, ein geistiger Verwandter von Kurt Tucholsky, die unermüdlichen Anstrengungen eines Gärtners. Ausdrücklich spricht er nur vom Blumen- und nicht etwa auch vom Gemüse-Gärtner.
Das Gedicht vom »Kohl« von Wilhem Busch gab es dann als Zugabe. Gleich die erste Erkenntnis konnten die vielen Hobbygärtner im Saal voll unterstreichen: Immer kommt einem der Frühling zuvor! »Niemand fragt uns, wie es sein sollte«, bröselt er bis ins kleinste Detail alle Segnungen und Widrigkeiten des Wetters auf. Er spricht von Kahlfrösten und den frierenden Knospen, von all den Mühen, einem Garten die optimale Pflege angedeihen zu lassen.
Das Geheimnis des Vorbereitens der Gartenerde schildert Capek, und Siegfried W. Kernen versteht es hervorragend, dem Zuhörer alle die Nöte des Gärtners dabei nahe zu bringen. Elbesand soll man untermischen, keinesfalls Sand aus der Moldau. Beim dreijährigen Kuhmist stellt sich die Frage, ob die Kuh oder der Misthaufen dieses Alter haben soll.
»Stehen bleiben müsst ihr, da hört ihr leise den unendlichen Marsch der Knospen ertönen«, schwärmte der Gärtner. Und Siegfried W. Kernen war mit seiner Begeisterung so authentisch, dass man gar nicht glauben kann, dass er keinen Garten besitzt und seinen Balkon nicht mit Blumen bepflanzt. Nach der Pause stellt Capek die Natur quasi auf den Kopf, sieht die ganze Blütenpracht aus der Sicht der Wurzeln, stellt fest, das die ganze Arbeit eigentlich unter der Erde liegt.
Gleichsam philosophisch werden seine Gedanken immer wieder, und der Zuhörer begreift, dass es dem begnadeten Feuilletonisten Capek längst darum geht, den Garten des Lebens zu bestellen. Ein locker-leichter Gartenspaziergang, mit musikalischem Blumenschmuck, der die Gedanken weit schweifen lässt und immer tiefer gräbt, um damit vielleicht sogar ein Stück des verlorenen Paradieses zurück zu holen.

Artikel vom 26.04.2005