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Ein Experiment
schlägt Wellen

Nachdenklich stimmende Premiere

Borgholzhausen (Felix). »Wie konnte das nur geschehen«? Die Frage bildet den Dreh- und Angelpunkt. Nicht nur in Morten Rhues »Die Welle«, sondern auch im Theaterstück »Die Lawine«, das die Schüler des Kurses »Darstellen & Gestalten« des Jahrgangss zehn der Peter-August-Böckstiegel-Gesamtschule aus der berühmten Vorlage gemacht haben.

Am Freitagabend feierten die Schüler damit auf der Bühne der Aula vor 250 Zuschauern Premiere. Zuvor aber entführten erst einmal die Schüler des neunten Jahrgangs die Zuschauer, darunter auch Gesamtschul-Rektor Werner Lakeberg, in das Reich der Fantasie. Farbige Tangrams gaben im Schwarzlicht die jeweiligen Szenen vor. Und so gab es venezianische Masken ebenso wie Samurai-Schwertkämpfe oder den Tanz der Hände, stets unterlegt mit passend ausgewählter Musik. »Black & White«, so der Titel der gelungenen Aufführung, für die die 20 Schüler zu Recht reichlich Applaus einheimsten.
Nach der Pause wurde es dann sehr viel ernster auf den beiden Bühnen in der Aula. Auch den gesamten Zuschauerraum nutzend, versuchten die Akteure, eine Antwort auf die Frage zu geben, wie Millionen von Menschen in der Zeit des Dritten Reiches blind einer einzigen Person folgen konnten. Herr Koch (Marieke Eickhoff) heißt der Geschichts-Lehrer, der das »Experiment« in seiner Klasse startet. »Erfolg durch Disziplin, Erfolg durch Gemeinsinn, Erfolg durch Tun« lauten seine Parolen - an die sich die Klasse bis auf wenige Ausnahmen erstaunlich schnell gewöhnt. Bald herrscht ein neuer Wind, der das Klassenzimmer, das quasi zum Labor umfunktioniert war, verlässt und auf die ganze Schule übergreift. Eine einheitliche Uniform wird entwickelt, ein eigenes Abzeichen, ein eigener Gruß. Ehemalige Freunde werden eingeschüchtert, sobald die sich nicht der Lawine anschließen wollen oder ihr sogar kritisch gegenüber stehen. Vor Gewalt wird nicht mehr zurück geschreckt. Selbst vor Gefühlen macht die Ideologie keinen Halt: Lieber sich trennen, als nicht dazu gehören. Nur für Roberta (Ljuba Hartung) wird »Die Lawine« zum Balsam. Auf einmal ist sie nicht mehr der krasse Außenseiter in der Klasse, sondern gehört zum Leitungskreis.
Die Schüler verschanzen sich dahinter, dass es sich ja »nur« um ein Experiment handelt - und merken nicht mehr, welche Dynamik sich entfaltet. Mit live gesungenen Songs unterstrichen die Darsteller bei ihrer letzten Schulaufführung ihr Anliegen,unterstützt von den Lehrerinnen Ulrike Schwarz, Wilma Pilz und Britta Steding. Sie sangen von »Freiheit« und dem »Rebell« (Sabrina Gavert, Nadine Giannotti), unterstrichen dabei die böse Wandlung mit Original-Musiken aus der NS-Zeit, wie etwa dem »Les Preludes« der Wochenschau. Und schockierten die Besucher zum Schluss noch einmal zum Wachrütteln mit den Drahtziehern solcher Lawinen, überlebensgroß auf die Leinwand projiziert: Männer wie Idi Amin, Saddam Hussein und Hitler.

Artikel vom 25.04.2005