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Silvio Dalla Torre
lässt Bass singen

Weltweit erste CD mit Bassetto

Von Ruth Matthes
Herford (HK). Das Image des Kontrabasses ist nicht gerade das eines gefühlvollen Sängers mit weitem Tonumfang. Silvio Dalla Torre, ehemaliger NWD-Solo-Bassist, ist es jedoch gelungen, nach historischen Vorbildern einen Bass zu entwickeln, der genau diese Eigenschaften hat: den Bassetto. Den Beweis tritt er mit seiner CD »Songs, Chansons, Elegies« an.

»Meine Nachforschungen entsprangen keinem Forscherdrang, sondern dem Bestreben eines Musikers, das Beste aus seinem Instrument herauszuholen«, erklärt Dalla Torre, der heute als Professor an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock unterrichtet. »Ich wollte auf meinem Instrument auch die Romantiker spielen können«, erinnert er sich.
So beschäftigte sich Dalla Torre intensiv mit der Geschichte der Grifftechnik und stellte fest, dass der Kontrabass bis 1870 wie die anderen Streichinstrumente mit der Vier-Finger-Technik gespielt wurde, statt mit dreien. »Ich lernte um und war begeistert, denn dieses System ermöglicht es, auf dem Bass wie auf Geige oder Cello Lagenwechseltechnik und Phrasierungskunst auszubalancieren. Große Melodiebögen werden nicht mehr durch überflüssige Lagenwechsel unterbrochen«, erklärt er.
Eine weitere Verbesserung, die Dalla Torre entdeckte, war ein schwererer Bogen. »Der übliche Bogen ist im Verhältnis zur Länge und Dicke der Saiten zu leicht, um sie ausreichend in Schwingung zu versetzen.«
Ein Nachbau eines Bogens aus Eisenholz, das in der Barockzeit häufig benutzt wurde, schaffte Abhilfe. Der Klang ist dichter, intensiver und klarer.
Doch auch die Stimmung der Saiten spielt für die Klangschönheit eines Instrumentes ein große Rolle und so experimentierte Dalla Torre mit der Quint- anstelle der bisherigen Quartstimmung. »Die neuen Saiten (G-D-A-E), die ich mir extra anfertigen ließ, hatten den Vorteil, dass sich das Resonanzverhalten des Basses änderte, weil mehr Obertöne mitschwangen als zuvor.« Zudem ist der Tonumfang des Instrumentes dadurch auf viereinhalb Oktaven angewachsen, die dem Spieler ein weit größeres Repertoire eröffnen.
Diese Vorteile belegt die gerade erschienene CD eindrucksvoll. Gemeinsam mit seinem langjährigen Duo-Partner Matthias Petersen, Dozent an der Musikhochschule Detmold, interpretiert Silvio Dalla Torre Lieder und Elegien der Romantik - von den »Liedern ohne Worte« von Mendelssohn bis zu Schumanns Liederkreis nach Heinrich Heine.
Gerade in diesen getragenen, gefühlvollen Musikstücken zeigen sich die Vorzüge des Bassetto. Das Instrument erweist sich bei Mendelssohns Liedern als hervorragender Sänger. Wer ihm lauscht, glaubt zunächst ein Cello zu hören, wären da nicht auch die profunden, voluminösen tiefen Stellen, die nur ein Kontrabass erreichen kann. Doch auch zupackende, dramatische Klänge kann Dalla Torre seinem Bassetto entlocken. Die dunkle Melancholie der Schumann-Lieder kommt hier bestens zur Geltung. Matthias Petersens kongeniale Klavierbegleitung lässt diese zwischen vorwärts drängender Kraft und zartem Liebesleid schwankende Musik noch eindrucksvoller wirken. Die erstaunlichen Möglichkeiten des Bassetto in Sachen Tonhöhe und weit schwingender Melodiebögen werden besonders bei Faurés »Romance sans paroles« und Rachmaninoffs »Vocalise« deutlich. Außerdem auf der CD vertreten: Bruch, Elgar, Bridge, Massenet und Glasunow.
Die Neuentwicklung des Bassisten zieht Kreise. »Ich habe bereits eine Einladung zu Vorträgen und Konzerten in den USA«, berichtet Dalla Torre, der inzwischen auch Besitzer eines kleineren Original-Bassetto ist. Ob auch die Herforder den derzeit einzigen Bassetto-Spieler bald hören werden, ist noch unklar. »Grundsätzlich würde ich gerne mal wieder in der Region spielen.« Die CD ist in der Buchhandlung Otto vorrätig.

Artikel vom 26.04.2005