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Projektor im
Bollerwagen

Schidlacks »Wesertal Filmtheater«

Von Wolfgang Braun
Höxter (WB). Auf einem Handwagen zogen Wilhelm Schidlack und sein Sohn Hans anfangs die transportable Kinomaschine zu Aufführungen in Dorfgaststätten im Corveyer und Warburger Land: Die Kinokultur im Kreis Höxter hatte in der Nachkriegszeit im »Wesertal-Filmtheater« ihren Ursprung, das als Wanderkino begann.

»Mein Vater hatte noch in unserer Heimat, im Warthegau, vor dem Krieg gelernt, Filmvorführgeräte zu bedienen, weil er ein Kino bauen wollte«, erinnert sich Hans Schidlack (83). Da er eine einwandfreie Entnazifizierung vorweisen konnte, erhielt er von der britischen Besatzungsmacht 1948 die Genehmigung, Filme zu zeigen. Einen Projektor hatte er aber nicht. Unverhofft kommt oft: »Durch Zufall kamen wir mit einem ehemaligen Kinobesitzer in Kontakt, der wegen seiner Nazivergangenheit keine Lizenz, Filme vorzuführen, erhalten konnte. Der lieht uns das Gerät.«
Premiere war kurz nach der Währungsreform in Dahlhausen im brechend vollen Saal Soethe mit dem deutschen Vorkriegsfilm »Rätsel um Beate« - der UFA-Star Lil Dagover spielte darin die Hauptrolle. »Die Plakate hatte wir selbst gemalt. Der Eintritt kostete eine Mark, Kinder und Kriegsbeschädigte zahlten die Hälfte«, erzählt Hans Schidlack genüsslich in Erinnerungen schwelgend.
Den Handwagen ließen sie in Dahlhausen stehen, fuhren mit Fahrrädern in ihren damaligen Wohnort Lauenförde, um am nächsten Tag den schweren Bollerwagen mit der Filmmaschine den Berg hoch nach Borgholz zu ziehen. »Wir hatten viel Erfolg und konnten uns schon bald einen klapprigen Dreirad-Kleinstlaster kaufen, der aber oft bockte wie Esel.« Ein Autoverkäufer las das Wanderkino-Team bei Wehrden auf der Straße auf, weil es mal wieder nicht weiterkam, und verkaufte ihm eine Kastenwagen Marke Hanomag.
Der Einzugsbereich der Wesertal-Filmtheater umfasste 20 Dörfer - darunter Fürstenau, Lüchtringen, Natingen, Bühne, Amelunxen und Ovenhausen. 1949 konnten dann die Schidlacks in Ottbergen den Saal Stenneberg mieten und einen zweiten Projektor anschaffen. Zur Wartung der Filmmaschine wurde 1950 der Radiotechniker Rauer eingestellt, der vor den Aufführungen in Ottbergen Radioreparaturen ausführte. Doch das wurde ihm untersagt, weil er keinen Meistertitel hatte. Schidlack: »Reparaturen durften aber an Geräten ausgeführt werden, die wir selbst verkauft hatten. Also boten wir vor den Kinovorstellungen auch Neugeräte an«. Die Schidlacks merkten bald, dass im Handel mit Rundfunkempfängern die Zukunft lag. Nach dem Erfolg mit einer großen Radio-Verkaufsausstellung 1951 in der Kaserne in Höxter eröffneten Schidlack und Sohn ein erstes Geschäft in einer Ladenhälfte der Buchhandlung Valentin im Haus Marktstraße 16.
Mit der Übertragung der Krönung von Elisabeth II. 1952 begann im Nachkriegsdeutschland das Fernsehzeitalter: Auch in Höxter. Denn die Schidlacks mieteten den großen Saal des Hotels Reichspost (an der Weserstraße) für eine Fernsehübertragung an. »Im mächtige Schneegestöber auf dem Bildschirm war leider nicht viel zu erkennen«, bedauert Hans Schidlack. Bei der Fußballweltmeisterschaft 1954, als die Firma 30 Geräte mit »großer« Bildröhre an Gaststätten verlieh, sei der Empfang dann besser gewesen.
1954 verkaufte Schidlack sein »Wesertal Filmtheater«, um sich ganz dem Geschäft mit Unterhaltungselektronik - später mit Expert als Partner - zu widmen.

Artikel vom 23.04.2005