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Radelnde Rowdys und aggressive Autofahrer

476 Fahrradunfälle im Kreis Paderborn sind zu viel

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Nein, sie lieben sich wirklich nicht. Der Autofahrer ist der natürliche Feind des Radfahrers, was umgekehrt ebenso gilt. Kaum ist der Frühling da, bricht gleich die alte Fehde wieder aus, das ungleiche Duell wird zum tagtäglichen Wahnsinn. Wobei die Pedaltreter fast immer den Kürzeren ziehen - häufig aber selbst verschuldet.

Paderborner Polizeibeamten stehen oft die Haare zu Berge, wenn sie sehen, was sich vor allem in der City abspielt. Da scheren sich radelnde Rambos weder um Fußgänger noch rote Ampeln, drängeln sich ohne Rücksicht auf Schrammen und eigene Gefährdung zwischen wartenden Autos hindurch, brettern Radwege in verkehrter Richtung entlang, und bei Dunkelheit sind etliche ohne Licht unterwegs, weil der Dynamo schließlich bremst.
»Doch Autofahrer sind nicht viel besser«, hält der Automobilclub ADAC seinen Mitgliedern den Spiegel vor. »Sie biegen ab, ohne auch nur mit einem Blick zu prüfen, ob vielleicht ein Radler kommt. Und wenn doch, dann pfeifen sie auf dessen Vorfahrt und geben erst recht Gas.« Weitere Sünden der motorisierten Blechfraktion: Parken auf Radwegen, Autotür öffnen, ohne in den Rückspiegel zu schauen. Und auf Landstraßen rasen sie mit Tempo 100 einen halben Meter an Radfahrern vorbei. Noch schlimmer sind die Brummipiloten. Der Luftwirbel eines überholenden 40-Tonners hat schon manch einen Zweiradtreter in den Graben katapultiert. Geht der Schlenker zur falschen Seite, ist da keine Karosserie und kein Airbag mehr, der ihn schützt.
Vergangenes Jahr verunglückten im Kreis Paderborn 476 Fahrradfahrer. »Die Tendenz ist seit Jahren deutlich steigend«, läutet Polizeisprecher Michael Biermann die Alarmglocken. 295 Unfälle - beinahe zwei Drittel - waren von den Radlern selbst verschuldet. Zwei ließen ihr Leben, 90 wurden schwer verletzt, 280 kamen mit schmerzhaften Schrammen und Prellungen davon.
Als Hauptunfallursache nennt die Paderborner Polizei falsche Fahrbahnbenutzung (97 Fälle), zu hohe Geschwindigkeit (50), Vorfahrtsverletzungen (31) und - man höre und staune - Alkohol. Jeder zehnte der verunglückten Pedalhelden hatte zu viel Promille im Blut. Dabei sollten man bei Alkohol besser den Drahtesel an der Kette lassen. »Wer mit 1,6 Promille oder mehr erwischt wird, gilt als absolut fahruntüchtig, und - was viele nicht wissen - der Führerschein ist weg«, warnt Biermann. Ansonsten sieht der Bußgeldkatalog für radelnde Rowdys bis zu 30 Euro, bei Rotlichtsünden auch mehr und dazu einen Punkt in Flensburg vor. Die Benutzung des Radwegs in falscher Richtung, schon beinahe tägliche Praxis, kostet 15 Euro.
Straffrei dürfen Fahrradfahrer (noch) ohne Helm in die Pedale treten. »Aber das Risiko ist groß, und ein Helm hat schon manchen Sturz gemildert«, plädiert Biermann für den Kopfschutz auch ohne Gesetz. Bei Radfahrerprüfungen in den Grundschulen ist der Helm längst obligatorisch.
Mit Schwerpunktkontrollen und Aufklärungsaktionen will die Paderborner Polizei auch in diesem Jahr wieder die Radler-Problematik ins Bewusstsein rücken. Doch viel besser ist - egal ob auf zwei oder vier Rädern - gegenseitige Rücksichtnahme.

Artikel vom 12.05.2005