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Philosophie
für den Alltag

Lesung mit Rüdiger Safranski

Von Rainer Maler
Paderborn (WV). Zum Auftakt der Veranstaltung »Erlesenes bei Tag und Nacht« hatte die Buchhandlung Linnemann den Philosophen Rüdiger Safranski ins Theodorianum eingeladen. Passend zum Schillerjahr las er aus seinem Buch »Schiller oder Die Erfindung des Deutschen Idealismus«.

Der mittlerweile 60-jährige Safranski, der von sich sagt, er liebe das Poetische in der Philosophie und das Philosophische in der Poesie, ist ein Autor, dem es in seinen zahlreichen Büchern gelungen ist, das Schwierige der Philosophie in eine Sprache zu übertragen, die auch Herr Jedermann gut lesen und verstehen kann. Mit »Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie« gelang ihm 1987 der Durchbruch als Schriftsteller.
Der ebenso tiefschürfende wie locker schreibende Safranski hat der Philosophie einen Weg zurück in unseren Alltag geebnet. Mit außergewöhnlichem Einfühlungsvermögen zeichnet er in seinen Büchern die Biographien von Dichtern und Denkern nach, veranschaulicht Leben und Werk in einer poetischen Sprache, die ihn zu einem mit zahlreichen Preisen international geehrten Autor gemacht hat, dessen Bücher in siebzehn Sprachen übersetzt wurden.
In der fast 600 Seiten starken Biographie über den Klassiker Friedrich Schiller, dessen Todestag sich am 9. Mai zum 200. Mal jährt, schildert Safranski ein Leben von den bedrückenden Anfängen der Kindheit in Stuttgart bis zu den letzten, von Krankheit geprägten Jahren in Weimar. Schiller revolutionierte die deutsche Geistesgeschichte im frühen 19. Jahrhundert und gilt neben Goethe und Kant weltweit als größtes Genie der deutschen Kulturgeschichte, wurde zur Leitfigur des deutschen Idealismus, so dass Beethoven zu seinem Gedicht »Freude schöner Götterfunken« ein hehres Leitmotiv aus Pathos und Ideal komponierte.
Klassiker wie »Die Räuber« hat jeder in seiner Schulzeit kennen gelernt; aktuell hat die Buchhandlung Linnemann einen »Schillerkoffer« auf Reisen durch die Schulen geschickt, um die Schüler von der Kraft des großen Denkers zu überzeugen.
Die Lunge brandig, das Herz ohne Muskelsubstanz, die Nieren zersetzt: Der obduzierende Mediziner wunderte sich, wie Schiller überhaupt so lange leben konnte. Der Dichter verkörpert wie kaum ein anderer die Macht des Geistes über den Körper, schließlich starb er schon mit 45 Jahren und war zu Lebzeiten ein Megastar, vergleichbar in seiner Popularität mit Leinwandhelden oder Popgrößen, bei denen allerdings die Dauer ihres Ruhmes durchaus in Zweifel gezogen werden darf. Mit der Kraft der Begeisterung für die Freiheit des Geistes lebt man länger als der Körper es eigentlich erlaubt, so Safranski über Schiller. Insofern könnte unsere Gesellschaft wieder von Schiller lernen und gerade in Fragen der Moral und Ökonomie oder der Alltagsorgen mit mehr Mut zu Werke gehen. Es fehle uns eben an Idealismus und Euphorie. Wer Schillers »Die Räuber« sehen will, hat am 8. Mai im Amalthea dazu Gelegenheit.

Artikel vom 23.04.2005