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Jeder Schritt schmerzt

WB-Volontär Jörn Hannemann läuft beim Hermann mit

Bielefeld (WB). Mehr als 7000 waren gemeldet, 5700 Teilnehmer gingen schließlich beim diesjährigen Hermannslauf an den Start. WESTFALEN-BLATT-Volontär Jörn Hannemann war einer von ihnen.
Vor-Start-Zustand: Unser Mann beim Hermann: Jörn Hannemann.
Worauf habe ich mich da bloß wieder eingelassen? Gemeinsam mit 38 anderen Teilnehmern des Hermannslaufs 2005 sitze ich im Bus zum Hermannsdenkmal. Rechts vor mir liest jemand Zeitung. Sein Nachbar hat dagegen die Augen geschlossen und meditiert. Soviel Ruhe hätte ich jetzt nie im Leben.
Tausende von Gedanken: die Kleidung - hätte ich vielleicht ein anderes Hemd anziehen sollen? Ich habe die gleichen Wahl wie im Vorjahr getroffen: kurze Hose, mein Rennshirt - und dazu jede Menge Traubenzucker in den Hosentaschen. Der hilft nicht nur während des Rennens, sondern auch davor - denke ich, während ich an einem Zuckerstück lutsche und hoffe, so meinen Trainingsrückstand auszugleichen.
Klingt unlogisch, doch wenige Minuten vor dem Start hilft's. Alles eine Frage der Psychologie, rede ich mir ein - selbst als ich endlich im Startblock der Marathon-Debütanten stehe. Nummer 3181 - das bin ich.
Peng. Der Startschuss reißt mich aus meinen Gedanken. Los geht's. »Langsam starten und zum Ende hin Tempo steigern« - so lautet meine Taktik. Doch Übermut und Leichtsinn besiegen besseres Wissen schon auf den ersten vier Kilometern. Geht ja auch alles ganz locker.
12 Kilometer habe ich geschafft und komme zum Tönsberg. Erste Seitenstiche. Offensichtlich bin ich das Rennen doch zu schnell angegangen. Endlich sehe ich die Markierung, die anzeigt, dass die Hälfte geschafft ist. Aus Lautsprechern höre ich, dass die ersten Läufer im Ziel sind. Entmutigen lasse ich mich nicht. Schließlich habe ich die ersten Schwächeanzeichen gut überstanden. Nun heißt es durchhalten: Der steile Tönsberg liegt hinter mir, doch ich kämpfe mit Wadenkrämpfen.
Zum Glück brandet immer wieder Jubel auf. Viele Zuschauer klatschen, feuern jeden Ermatteten an - vor allem in Oerlinghausen. Hier herrscht Volksfest-Stimmung, mit Musik und dem ersehnten Verpflegungsstand.
Die ersten zehn Kilometer machen Spaß, bis zum 20. ist es erträglich, danach fangen die Schmerzen an, und spätestens ab Marke 26 wird das Vergnügen zur Qual.»Ich muss, ich kann, ich will«, hämmere ich mir ein. Doch wenn Waden zwicken, Muskeln brennen, Beine schmerzen, ist das ist leichter gesagt als getan. Ich falle ins Schritttempo, beginne schnell zu gehen, am Ende ist es kaum mehr als Spazierengehen.
Während der letzten drei Kilometer tut jeder Schritt weh. Das Ziel ist nah, aber doch so fern. Ablenkungen bringen Gespräche mit den anderen Teilnehmern: Der eine freut sich auf die Badewanne, der nächste auf Essen und Trinken. Ich sehne mich nach einem Stück Schokoladenkuchen.
Kurz vor dem Ziel brauche ich noch eine Pause. Ich knie mich hin - ein großer Fehler. Die Motivation ist auf null. Bis ich einen Klaps auf den Rücken bekomme. »Gleich sind wir da.« Mitläuferin Christiane, die ich längst im Ziel wähnte, ist plötzlich da. Das setzt letzte Kräfte frei. Ein tolles Gefühl, als wir die Ziellinie überqueren. Ich hätte keinen Meter weiter geschafft. Ich bin mir sicher: »Nie wieder!«
Das gilt aber nur drei Stunden lang. Dann weiß ich: Beim nächsten Hermann bin ich wieder dabei - wie Tausende andere auch.

Artikel vom 25.04.2005