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Von Alexandra Rüther

Diese
Woche

Lust am Essen


Nirgendwo in NRW ist der Anteil übergewichtiger Grundschüler so hoch wie im Kreis Höxter. In den vergangenen Jahren habe sich die Zahl der zu dicken Kinder und Jugendlichen mehr als verdoppelt, sagt der Diabetesforscher Professor Hans Hauner von der Uni-Klinik Düsseldorf. Klar, vereinzelte »Hamburger-Erlebnisse« richten keinen Schaden an, ein »Mars«-Riegel hin und wieder macht nicht gleich fett. Aber: Fastfood und Schokoriegel sind zum festen Bestandteil des Alltags geworden. Und das hat Folgen. Ärzte diagnostizieren immer häufiger schon bei den Jüngsten Bluthochdruck, Haltungsschäden und Abnutzungserscheinungen der Gelenke. Etwa 80 Prozent der zu dicken Kinder tragen ihr Übergewicht auch als Erwachsene noch mit sich herum und kämpfen mit den daraus resultierenden Krankheiten.
Dabei wissen Kinder eigentlich was gut ist. Schon achtjährige und jüngere Kinder kennen den Zusammenhang zwischen Zucker, Bonbons und kapputten Zähnen, so der »Ernährungsbericht« der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Sie ordnen Obst, Gemüse und Milch als gesund ein, Schokolade hingegen als ungesund. Doch schlägt sich dieses Wissen nicht im Alltag nieder. Warum auch ? - Sie essen nicht mit dem Verstand, sondern mit ihren Sinnen. Und sie merken ja auch keine direkten Beeinträchtigungen.
Deshalb sind hier natürlich die Eltern gefragt. Wenn die jetzt aber mit erhobenem Zeigefinger dozieren, wie gesund Grünzeug, Körner und Milch sind, kommt das nicht an. Ernährungsfachleute sind sich einig, dass Kinder ihre Eltern in hohem Maße imitieren. Wenn diese kein Vollkornbrot essen, werden es auch die Kleinen ablehnen. Wenn die Großen das Essen hastig hinunterschlingen, laufen auch die Kinder lieber mit einem Brötchen herum, als ein paar Minuten am Tisch zu sitzen.
Aber wollen wir nicht alle das Beste für unsere Kinder? Wem die eigene und die Gesunderhaltung seiner Kinder wirklich am Herzen liegt, der setzt sich mit ihnen gemeinsam an den Tisch. In Gesellschaft schmeckt es einfach besser. Wenn hin und wieder Freunde mit von der Partie sein dürfen, macht den »Juniors« das Essen auch mehr Spaß. Reden wir nicht über gesundes Essen, zelebrieren wir es. Wenn die Schüssel Salat auf dem Tisch normal ist und kein seltener Anblick, wenn gesundes Essen für uns selbstverständlich ist, wird es das auch für die Kleinen. Wenn sie dann noch bei der Zubereitung mitgeholfen haben, um so besser.
Viele behaupten, sie hätten dafür keine Zeit. Das ist kein Argument. Nudeln mit Tomatensauce stehen in 15 Minuten auf dem Tisch (in der Sauce lässt sich übrigens wunderbar Gemüse verstecken), Pellkartoffeln mit Quark sind in 20 Minuten fertig, Salatdressing hält im Kühlschrank mehrere Tage.
Und was auf den Tisch kommt, bestimmen immer noch die Eltern. Da sollten wir uns weder von der bunten Welt der Werbung noch vom »Hundeblick« unserer Kinder leiten lassen. Dass Kinder mit diesen Regeln wunderbar leben können, hat auch die WB-Umfrage auf Brakeler Schulhöfen gezeigt. Bei der zwölfjährigen Debora Meiners aus Stahle beispielsweise gibt es Süßigkeiten nur am Wochenende. Und alle kommen damit klar.
Natürlich isst kein Mensch nur gesund. Deshalb sind Kompromisse auch vollkommen legitim. Schließlich steigert ständiges »Nein« nur die Lust auf das Verbotene. Wenn die Basis stimmt, kann auch der süße Snack zwischendurch (ab und zu) hemmungslos genossen werden.

Artikel vom 23.04.2005