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Das Wort zum Sonntag

Von Rektor Franz-Josef Hövelborn, Brakel

Franz-Josef Hövelborn
Besitzen Sie schon ein Navigationssystem? Das ist etwas ganz Tolles. Ein Gerät in ihrem Auto zeigt Ihnen auf einem kleinen Bildschirm genau an, wo Sie sich gerade befinden. Es spricht sogar zu Ihnen und gibt Ihnen Anweisungen, wohin Sie fahren müssen, wo Sie abbiegen können und wo sich vielleicht ein Stau gebildet hat und wie Sie ihn am besten umfahren. Dieser »Wegweiser« führt Sie genau bis zu der Adresse, die Sie suchen und sich gewünscht haben. Ein ganz praktische Sache, die manche(r) nicht mehr missen möchte.
Ist das nicht Zauberei, möchte manche(r) fragen? Religiös glaubende Menschen fragen eventuell: Ist das ein Wunder? Das Geheimnis lässt sich sehr schnell lüften. Dank G P S (Global Positioning System = (ein) weltweites Ortsbestimmungssystem) ist dieses »Wunder« seit ca. dem Jahr 2000 möglich, dass einem heute der Weg gewiesen werden kann. Durch Satelliten in der Erdatmosphäre werden diese Daten übermittelt, damit jeder, der möchte, seinen Weg finden kann.
Insofern besitzen viele von uns die »Gnade der späten Geburt« gegenüber den vielen Generationen vor uns, die ihre(n) Weg(e) mühsam selbst suchen mussten. Sie haben sich sicher häufig verlaufen. verfahren, ja sogar verirrt und können uns deshalb nachträglich noch leid tun.
Insofern sind wir heute alle besser dran, oder? Wir könnten doch alle Wege finden und müssten wissen, »wohin die Reise geht«! Stimmt das?
»Wer nicht weiß, wohin er will, darf sich nicht wundern, wenn er da herauskommt, wohin er eigent-lich gar nicht wollte!«, sagt eine Redensart. - Wer weiß schon immer genau, wohin er/sie will? Wissen Sie, wohin Sie wollen?
Als Sie sich entscheiden mussten, welchen Beruf Sie ergreifen bzw. erlernen sollten, da wussten Sie ir gendwie, w a s Sie wollten. Als Sie Ihre(n) Partner/-in kennenlernten, das wussten Sie vielleicht nach einiger Zeit, w a s sie wollten, aber wussten Sie auch bzw. wissen Sie, wohin Sie woll(t)en?
Diese Frage beschäftigt viele Menschen zeit ihres Lebens. So ähnlich erging es den Aposteln, mit denen Jesus oft gesprochen hat. Das Evangelium dieses Sonn-tags (Joh 14,1-12) schildert diese Situation. Jesus spricht davon, dass er in das »Haus seines Vaters« gehen will, um den Jüngern eine Wohnung zu bereiten. Er will sogar wiederkommen und sie zu sich holen, sobald er einen Platz für sie vorbereitet hat. »Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr!« Das hätte sie doch eigentlich trösten und froh stimmen können/müssen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Der Skeptiker, der Realist Thomas, der fürs Handfeste ist, sagt: »Herr, wir wissen nicht wohin du gehst, wie sollen wir da den Weg kennen?« Was Thomas sagt, wird manche(r) heute auch noch sagen/fragen. Es sind die grundlegenden Fragen des Lebens, die der große deutsche Weise Immanuel Kant (1724-1804) so formuliert hat: »Was kann ich wissen? Was soll ich tun?, Was darf ich hoffen? [Wohin gehe ich?], Was ist der Mensch?« Einige dieser Fragen kann der Mensch im Laufe seines Lebens (teilweise) beantworten, ein(ig)e nicht, nämlich die Frage: »Was darf ich hoffen? [Wohin gehe ich?]«. Das sind Fragen nach dem Sinn des Lebens. Darauf gibt keine menschliche Wissenschaft eine Antwort. Vielleicht müssen manche verzweifelt sagen wie der französische Philosoph Voltaire: »Nun lebe ich wie ein Hund und sterbe wie ein Hund. Doch das ist es, was den Menschen vom Hund unterscheidet: Der Mensch weiß, dass er ein Hund ist und wie ein Hund stirbt!« Diese Antwort bedrückt mich und lässt mich protestieren. So möchte ich nicht leben und auch nicht sterben. Dies darf ich glauben und leben, weil etwas in der Weltgeschichte geschehen ist, das seinesgleichen sucht: Die Auferstehung Jesu. Seit diesem Ereignis hat jeder Mensch (,der dies möchte) eine andere Perspektive, Blickrichtung. Sie ist nicht mehr allein auf ein oder das Ende ausgerichtet, sondern auf eine Zukunft.
Franz Kafka schildert in einer Fabel die Situation einer Maus. Wie eng ist doch die Welt. Überall Mauern. Und dann läuft alles zu wie auf das Ende eines Trichters und dort steht dann noch eine Mausefalle. »Du brauchst dich nur umzudrehen und das Leben liegt vor dir!«, sagte die Katze und fraß sie. So hoffnungslos und zynisch, weltverneinend muss kein Mensch leben, wenigstens nicht der, der (an) Jesus glaubt. Er steht zu seinem Versprechen: »Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. ... Ich gehe hin um einen Platz für euch vorzubereiten. Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin.« Seit Ostern darf sich der Mensch u m d r e h e n und so das Leben vor sich sehen.
Das Navigationssystem findet dank GPS genau den Weg zu der Adresse, die man vorher in dem Bordcomputer erfragt hat. Das ist eine tolle Sache. Nur noch selten irrt sich der Computer oder wird durch irgendwelche Einflüsse gestört.
Solch ein Navigationssystem für d e n »Weg des Lebens« gibt es auf der einen Seite nicht, auf der anderen Seite doch, aber kein technisches, wohl aber einen Navigator, »W e g w e i s e r«, der diesen Weg zum Leben kennt und zeigt. Jesus sagt: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich.« (Joh 14,6 f.) Er hat auch kein »System« erfunden oder ent-wickelt wie das GPS, sondern hat den Menschen das Wort Gottes verkündet, das ihnen den »Weg des Lebens« gezeigt hat und heute noch zeigt durch das, was er gesagt und getan hat.
Auf diesen Wegweiser verlasse ich mich und würde mich freuen, wenn auch Sie dies könnten bzw. wenigstens daran dächten, wenn Sie demnächst wieder Ihr Navigationssystem im Auto einschalten und Sie gefragt werden: »Wohin möchten Sie gehen /fahren?«

Artikel vom 23.04.2005