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Raubmord gibt
noch Rätsel auf

Prozessauftakt vor Schwurgericht

Von Uwe Koch
Herford (HK). Sie hatten nur Schulden, lebten von der Sozialhilfe: Da beschlossen ein Kasache, ein Usbeke und ein Deutscher einen perfiden Überfall auf einen Geldboten in Vlotho.

Seit Donnerstag müssen sich die Männer vor dem Bielefelder Schwurgericht verantworten - wegen eines Raubmordes und schwerer räuberischer Erpressung. Der Bad Oeynhausener Kraftfahrer Ralf G. (41) soll den Überfall geplant haben. Der in Pr. Oldendorf lebende Kasache Alexsej B. (25) hat laut Anklagevorwurf den Raubmord in Vlotho-Valdorf ausgeführt, der in Stemwede lebende 26-jährige Usbeke Hassan I. habe ihn zu der Tat begleitet.
Nichtsahnend hatte Geldbote Erwin T. aus Hiddenhausen am 12. November 2004 seinen Dienst angetreten. Um 9.30 Uhr kam der 65-jährige Mann mit einer College-Tasche aus der Filiale der Herforder Sparkasse in Vlotho-Valdorf. Es war der letzte Botengang des zuverlässigen Mannes: Plötzlich trat ihm ein maskierter Mann mit Pistole gegenüber. Erwin T. versuchte vergeblich, seine Unterlagen zu verteidigen. Viermal schoss der Unbekannte auf ihn, verschwand mit der vermeintlichen Beute. T. starb am Tatort.
Wenige hundert Meter weiter wartete Komplize Hassan I. auf den Schützen, den Kasachen Alexsej B. Beide Männer hatten ein hohe Beute von etwa 60000 Euro erwartet. Stattdessen fanden sie in der Tasche bankinterne Unterlagen und Formulare sowie eine Goldmünze.
Gestern schilderte zumindest der Usbeke vor dem Landgericht, woher die Erwartungshaltung auf eine hohe Beute stammte: Zu der Tat angestiftet worden seien die beiden Osteuropäer - und zwar von dem Bad Oeynhausener Kraftfahrer Ralf. G. Wenige Tage vor dem Raubmord hatten die drei Männer auch unzweifelhaft Kontakt miteinander, sogar der 41-jährige Deutsche bestätigte am Donnerstag zum Prozessauftakt einen entsprechenden Tatplan.
Danach gingen die Schilderungen der Vorgeschichte allerdings weit auseinander. Glaubt man dem Fahrer aus Bad Oeynhausen, so wurde er von einer Angestellten des Kurierdienstes DPD (Deutscher Paket-Dienst) angestiftet. Sabine G., eine Bekannte seiner Lebensgefährtin, habe die Idee zu dem hinterhältigen Überfall gehabt. Jedoch habe man zunächst einen fingierten Überfall geplant, Opfer sollte Sabine G. sein.
Als die Frau krank wurde, bekam die Planung eine eigene Dynamik. Angeblich will sich Ralf G. von der Tatverwirklichung distanziert haben. Er will, so sagte er gestern aus, keinen Kontakt mehr zu den Osteuropäern gehabt haben, die den Raub demnach auf eigene Rechnung durchzogen.
Der Usbeke Hassan I. hingegen, der am ersten Verhandlungstag keine Aussage machte, hatte in seinem polizeilichen Geständnis eindeutig den deutschen Komplizen mit einbezogen. Das Schwurgericht verlas am Donnerstag die drei Vernehmungen des Usbeken, dessen Motivation unmissverständlich war: »Ich will, dass Alexsej weniger als 15 Jahre Haft kriegt.«
Problematisch an dem Fall bleibt auch die Tatbeteiligung der Kurierfahrerin. Die Frau sitzt noch nicht auf der Anklagebank. Das Verfahren gegen sie ist vorläufig eingestellt, kann aber jederzeit wieder aufgenommen werden.

Artikel vom 22.04.2005