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Von der schweren Zeit des Krieges

48 Leute kommen zum Klassentreffen des Einschulungsjahrgangs 1941

Rheda-Wiedenbrück (de). Als sich am Samstag Wiedenbrücker Männer und Frauen trafen, die 1935 das Licht der Welt erblickten, 1941 in die Wiedenbrücker Kirchplatzschule kamen und 1950 aus ihr entlassen wurden, da öffnete sich ein Fenster in die erlebte Zeitgeschichte.

In den offiziellen Chroniken steht von dem, was die Ehemaligen als Kinder und Jugendliche erlebt und auch erlitten haben, wenig. Gut, dass sich die Erlebnisgeneration immer wieder einmal trifft und Erinnerungen austauscht. So bleibt die schwere Zeit auch in den Nachkommen gegenwärtig. Sie mahnt und hilft, über aktuelle Beschwernisse besser wegzukommen.
Der Einschulungsjahrgang 1941 trifft sich alle fünf Jahre. Die Mädchenklasse fing damit an. Das aktuelle, sechste Treffen bereiteten Annemarie Berger, Karl Breimann, Marlies Witte und Alfons Wortmeier vor. Es fand in der Gaststätte Planet statt.
Von den damals 92 Schulanfängern in der getrennten Knaben- und Mädchenklasse kamen diesmal 48 Ehemalige zusammen. Gedacht wurde der bereits 18 verstorbenen Männern und zehn Frauen.
Es war Krieg, als die beiden Klassen eingeschult wurden. 1941 standen die Zeichen noch auf Sieg, aber immer öfter traf bei Verwandten oder Nachbarn die Nachricht vom Soldatentod ein.
Noch lief der Schulunterricht jedoch normal weiter, noch hieß es auch zweimal in der Woche morgens um 7 Uhr die Pflichtmesse zu besuchen. Mit dem Fortschritt des Krieges wurde das Leben schwerer. Bald gab es Schulspeisungen, damit die Jugend satt wurde. Manche Jungen kamen in Holzschuhen zur Schule und liefen in den Klassen auf Wollsocken umher.
Häufig ertönten die Fliegeralarmsirenen. Wenn der Sender »Primadonna« den Code L 15 durchgab, waren Flieger im Anflug, und die Lehrer schickten die Kinder nach Hause. Der Unterrichtsausfall durch Fliegeralarme, die Nutzung der Schule durch Soldaten sowie Pflichtdienste, wie Kartoffelkäfer suchen, führten zu Stundenausfall. Darum musste der Einschulungsjahrgang 1941 als erster nicht nur acht, sondern neun Jahre die Schule besuchen.
Alfons Wortmeier, der vor den Toren der Stadt wohnte, erinnerte sich daran, auf dem Wege zur Schule oft in Erdlöcher gesprungen zu sein, um den Angriffen von Tieffliegern ausweichen zu können. Unvergessen bleibt auch für alle das ersten Zusammentreffen mit einem Schwarzen nach dem Einrücken der Amerikaner zu Ostern 1945 sowie das erste Probieren der köstlichen amerikanischen Schokolade.
Trotz schwerer Jugend und ohne die Hilfe von Therapeuten schafften die Ehemaligen beruflich und familiär ihren Lebensweg. Und wer sie, die nun zu den jungen Alten zählen, bei ihrem putzmunteren Klassentreffen miterlebte, ist sicher, dass die 54-jährige Gemeinschaft noch lange geschwisterlich zusammenhält. Die »Mädchen« treffen sich übrigens seit acht Jahren an jedem ersten Donnerstag im Monat im Seecafé.

Artikel vom 25.04.2005