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Uni forscht: Strom aus Meeresbrise

Windkraftexperten um Prof. Voss

Von Andrea Pistorius
Paderborn (WV). In der Nordsee, zwischen den Inseln Amrum und Helgoland, soll die größte deutsche Windkraftanlage auf See entstehen. Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts hat die Betreibergesellschaft erstaunlicherweise einem Team weit ab vom nächsten Meer anvertraut: den ausgewiesenen Windkraftexperten um Prof. Dr. Jürgen Voss von der Universität Paderborn.

Nicht nur technisches Fachwissen, sondern insbesondere Geduld zeichnet die Wissenschaftler am Lehrstuhl »Nachhaltige Energiekonzepte« aus: Dreieinhalb Monate mussten sie warten, bis endlich die von ihnen betreute Mess-Station im Wattenmeer aufgestellt werden konnte. Solange hielten raue Winde das Schiff in Bremerhaven fest, das den 113 Meter hohen Masten, in Teile zerlegt, zu seinem Standort etwa 36 Kilometer südwestlich von Amrum transportieren sollte. Seit Anfang der Woche steht nun der Technik-Turm und hat die ersten Messdaten über eine Zwischenstation an der Küste nach Paderborn gesendet.
Ausgestattet ist die Plattform mit High-Tech-Geräten, die Windgeschwindigkeit und -richtung erfassen sowie meteorologische und ozeanographische Befunde aufzeichnen (Luft- und Wassertemperatur, Niederschlagsmenge, Sichtweite und Wellengang). Die Anlage arbeitet vollautomatisch; Windturbinen und Solarzellen versorgen sie mit Betriebsstrom. Um an Wartungsarbeiten vor Ort teilnehmen zu können, war der Diplom-Physiker Jörg Bendfeld aus Paderborn verpflichtet, einen Sicherheitskursus zu absolvieren; seinen Wissenschaftlerkollegen muss der Blick vom Flugzeug auf den wind- und wellenumtosten Messgehilfen genügen.
Besitzer der Anlage ist ein Unternehmenskonsortium, dem überwiegend Energieversorger angehören, und das die Amrumbank West GmbH gegründet hat. Spätestens in fünf Jahren, nach Abschluss des Messprojekts, will die Gesellschaft mit dem Bau des bereits behördlich genehmigten Windparks beginnen. Er soll einmal eine Leistung von 800 MW erbringen und damit in der Lage sein, 650 000 deutsche Durchschnittshaushalte mit Strom zu versorgen. Das entspricht dem Ertrag des größten deutschen Kohlekraftwerks in Petershagen bei Minden.
Ein bis zwei Milliarden Euro wird die komplette Anlage, einschließlich der Kabelleitungen, nach Einschätzung von Dr. Dirk Prior kosten. Der Elektrotechniker ist neben Bendfeld und dem Wirtschaftsingenieur Michael Splett für das Forschungsprojekt zuständig. Er sieht darin nicht nur einen reizvollen wissenschaftlichen Auftrag, sondern auch eine Chance für die deutsche Industrie, die auf dem Gebiet der Wind- und Sonnenenergie weltweit führend sei.

Artikel vom 22.04.2005