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»Es herrschen Unruhe, Unmut und Angst«

Mastholter Eltern zweifeln das neue Lernmodell der Grundschule an - Infoabend geplant


Rietberg-Mastholte (mobl). Die »flexible Schuleingangsphase« läuft gut in Mastholte. Sagt Schulleiterin Bärbel Hilgenkamp. Einige Eltern aber gehen jetzt auf die Barrikaden. »Unruhe, Unmut und Angst«, so fassen Sabine Overbeck, Sabine Brokherm, Agnes Sonntag, Klaus Backhaus sowie Hermann und Manuela Schlepphorst zusammen, was ihrer Meinung nach in den Flexi-Klassen an der Rudolf-Bracht-Grundschule vorherrscht.
»Die Kinder werden teilweise sich selbst überlassen. Ob das zu mehr Selbstständigkeit führt, möchte ich mal in Frage stellen«, merkt Hermann Schlepphorst an. Sowohl für leistungsstarke als auch für leistungsschwache Kinder habe das neu eingeführte System viele Nachteile, meinen die Eltern. »Die Leistungsstarken verlieren die Lust, weil sie nicht gefordert werden, und die Schwachen bleiben auf der Strecke, weil sie sich selbst unterschätzen und nicht voran kommen«, glaubt Sabine Overbeck. Generell basiere das Modell in Mastholte auf falschen Versprechungen, die den Eltern vor Einführung der flexiblen Schuleingangsphase gemacht worden seien. »Es hieß, in allen Flexi-Klassen sei während des Unterrichts überwiegend eine zweite Lehrkraft dabei«, erinnert sich Overbeck. Klaus Backhaus, der seinerzeit sogar im Elternrat bei der Umstellung auf das neue System mitarbeitete, meint rückblickend: »Wir Eltern sind viel zu blauäugig gewesen. Da sind Fakten genannt worden, unter denen das System funktionieren soll, aber der Staat verfügt nicht über die finanziellen Mittel und kann sich die zusätzlichen Lehrer, die für ein solches Modell vonnöten wären, gar nicht leisten. Das System an sich ist bestimmt gar nicht so verkehrt, funktioniert aber nur in viel kleineren Klassen.« In den Mastholter Flexi-Klassen würden teilweise Drittklässler eingespannt, die den Erstklässlern beim Lesen helfen sollen. Die Drittklässler sind zwar freiwillig und mit Feuerreifer bei der Sache, aber eben kein Lehrerersatz. Zweitklässler sollen die Rechenaufgaben der Erstklässler kontrollieren. »Mein Sohn kam eines Tages nach Hause und hatte ausgerechnet, dass 13 plus 2 16 ergibt. Und weil ein Zweitklässler ihm gesagt hatte, dass das richtig ist, hatte ich dann zu Hause die Diskussionen und den Ärger, als ich ihm klar machen wollte, dass das eben nicht richtig ist«, schildert Sabine Brokherm Szenen aus dem Schulalltag ihres Kindes, »dadurch entstehen richtig Machtkämpfe zu Hause.« Viele Eltern mit älteren Kindern hätten zudem festgestellt, dass die Kinder, die jetzt die Flexi-Klassen besuchen, mit dem Unterrichtsstoff längst nicht so weit fortgeschritten sind wie ihre Geschwister, die vor zwei oder drei Jahren die zweite Klasse besuchten. »Die Lehrer«, stellt Manuela Schlepphorst fest, »möchten wir dabei ganz klar in Schutz nehmen. Wenn es eben nicht mehr Personal gibt, müssen die versuchen, das beste aus diesem System zu machen. Für mich aber ist die flexible Schuleingangsphase schon jetzt gescheitert.« Einige Eltern machten sich Gedanken, ihr Kind von der Mastholter Grundschule herunter zu nehmen. »Und für das nächste Schuljahr sind schon einige neue Erstklässler in Bokel angemeldet worden, obwohl sie in Mastholte wohnen«, weiß Hermann Schlepphorst zu berichten. Schulleiterin Bärbel Hilgenkamp würde zwar immer wieder von einem guten Dialog mit den Eltern sprechen, das allerdings könne sie nicht bestätigen, sagt Sabine Overbeck: »Das ist kein Dialog, das ist ein Monolog. Es gibt auch keine sachlichen Diskussionen, sondern höchstens Gespräche, in denen uns falsche Tatsachen vorgesetzt werden.« Viele Eltern hätten schon resigniert und würden sich nicht trauen, etwas gegen die flexible Schuleingangsphase zu unternehmen. »Die befürchten, dass ihre Kinder das in der Schule zu spüren bekommen«, glaubt Hermann Schlepphorst. Die Elterninitiative will die Schulleiterin nun zu einem Gesprächstermin bitten. Zu diesem Termin sollen, wie bei der Podiumsdiskussion, die am vorvergangenen Freitag stattfand, mit Schulleiterin Bärbel Hilgenkamp abgesprochen, die Eltern der Kinder, die die Flexi-Klassen besuchen, ebenso eingeladen werden wie die Eltern der Kinder, die im Sommer in Mastholte eingeschult werden. Ohne Einbeziehung der Elterngrupope, schilderten die Eltern gestern, habe Hilgenkamp am Dienstag dann eine getrennte Einladung an die Eltern der Erst- und Zweitklässler herausgeschickt. Zu diesem Infoabend seien die Eltern der Kinder, die im Sommer eingeschult werden, hingegen nicht eingeladen worden. Turbulente Wochen scheinen vor Lehrern, Eltern und Grundschülern zu liegen.

Artikel vom 21.04.2005