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Glanz erfüllte Spiegelsaal

Berliner »Philharmonia Quartett« im Kammerkonzert

Von Wolfgang Günther
Paderborn (WV). Es entspricht dem Selbstverständnis einer Kammermusikreihe, wenn ein Streichquartett darin einen Platz hat. Im fünften Kammerkonzert im Audienzsaal Schloß Neuhaus war nun das »Philharmonia Quartett Berlin« zu Gast.

Es war ein Glücksfall, ein solch hochkarätiges Ensemble erleben zu dürfen. Erstaunlich und bewundernswert ist, dass diese vier Künstler - Daniel Stabrawa (1. Violine), Christian Stadelmann (2. Violine), Neithard Resa (Viola) und Jan Diesselhorst (Violoncello) - neben ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit als Pultsolisten bei den Berliner Philharmonikern noch Raum haben, sich der hohen Kunst der Streichquartettmusik intensiv zu widmen.
An diesem Abend präsentierte das Ensemble drei Werke, die zu den herausragenden dieser Gattung zählen: das Streichquartett Nr. 11 op. 122 f-Moll von Schostakowitsch - ein Spätwerk des Meisters -, das dritte, letzte und schönste der Streichquartette Schumanns, das Streichquartett Nr. 3 op. 41 A-Dur, sowie das ergreifende, letzte Streichquartett op. 161 G-Dur von Schubert.
In die Mitte des Programms stellte das »Philharmonia Quartett« das Streichquartett von Schumann, ein kraftvoll-helles, harmonisch und rhythmisch äußerst reizvolles Werk.
Den Rahmen dazu bildeten allerdings Kompositionen - eben von Schostakowitsch und Schubert - die eher die dunklen Seelenzustände beschreiben. So ist das 1966 verfasste, siebensätzige Werk von Schostakowitsch eigentlich ein Totengedenken an den Zweiten Geiger des »Beethovenquartetts«, Wassili Schirinski. Nach einer im Ausdruck nach innen gewandten Introduktion folgt ein eigenartiges sanft-trauriges »Scherzo« mit abrupt endenden bewegten Teilen. Heftig-Schmerzhaftes kennzeichnet das Rezitativ.
Vielleicht soll die Etüde an die große geigerische Kunst des Verstorbenen erinnern; für den Primarius ein technisch höchst anspruchsvolles Perpetuum mobile. Wiederkehrende kleine Terzintervalle in der zweiten Violine erklingen in der Humoreske. Violoncello und Viola spielen in der Elegie gedehnte Melodielinien, oft von der zweiten Violine »gestört«. Gleichsam im Rhythmus eines Trauermarsches endet dieses Werk, das durch eine absolut perfekte technische und dynamisch sensibel modifizierte Gestaltung tief beeindruckte.
Von unmittelbarer Wirkung ist das Streichquartett von Schumann; die große Fülle schöner und glanzvoller Ideen in der Harmonik und in der reizvollen, oft taktverschleiernden Rhythmik und vor allem in der großartigen Ausführung durch das Ensemble begeisterten; die Perfektion des Spiels und die gestalterische Bewältigung auf höchstem Niveau, gesteigert durch eine mitreißende, fast unbändige Spielfreude.
Nach diesem Glanz schloss das Konzert mit Schuberts ungewöhnlich langem Streichquartett - das chronologisch früheste Werk des Abends, jedoch in der Wahl der kompositorischen Mittel weit vorausschauend. Um seine schmerzvollen Empfindungen ausdrücken zu können, braucht Schubert weite Klangräume mit stellenweise orchestralen Dimensionen. Trotz der vielen seelischen Wirrnisse und Kämpfe wird am Schluss das Leben freudig bejaht. Das Ensemble vermochte es, diesen weiten Bogen technisch und ausdrucksmäßig überzeugend zu spannen und bis zum letzten Akkord zu halten.
Das Publikum war gefordert, sich auf diesen hohen Anspruch einzulassen; es folgte gern und bedankte sich mit begeistertem Beifall für die großartige Intepretation. Als Zugabe folgte die durch viele Bearbeitungen berühmte »Cavatina« aus dem Streichquartett op. 130 von Beethoven.

Artikel vom 21.04.2005