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Die Revanche für torreichstes Derby

Handball-Hit TuSN-L gegen Minden-Hannover

Lübbecke (WB). Auch sechs Tore von Peter Pickel reichten am 18. September 1976 nicht aus, um bei GWD Minden zu gewinnen. Das erste Derby der Nettelstedt gegen die »Grün-Weißen« ging mit 15:19 (6:12) verloren. Fast 29 Jahre später stehen sich die beiden alten Rivalen erneut gegenüber, zum insgesamt 49. Mal im Kampf um Punkte oder Pokalehren.

Heute heißen die Trainer nicht mehr Herbert Lübking und Vitomir Arsenjevic, sonder Jens Pfänder und Velimir Kljaic, haben Heiner Möller oder Axel Axelsson als Spieler mit Patrick Fölser oder Arne Niemeyer die Plätze getauscht. Doch in den drei Jahrzehnten dieses einzig echten »Derbys« der Handball-Bundesliga, nämlich dem zweier Kreisrivalen, hat dieser Evergreen nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Wenn heute Abend um 20 Uhr durch die beiden Unparteiischen Becker/Hack der Anpfiff der 49. Auflage ertönt, dann ist die Halle wieder »rappelvoll«, die Stimmung riesig und die Atmosphäre unnachahmlich.
Die Kreissporthalle in Lübbecke wird für 60 Spielminuten zum Tollhaus werden, denn das Duell TuS contra GWD ist weitaus mehr als nur ein normales Handballspiel. Es ist Lokalpatriotismus pur. Ein Derby, das wohl nur mit dem Fußball-Hit zwischen Dortmund und Schalke zu vergleichen ist. Ein Sieg über den ungeliebten Nachbarn ließe selbst andere Dinge vergessen. Mit breiter Brust gehen die Sieger vom Parkett, zerknirscht die Verlierer. Erfolge im Derby sind die beste Eigenwerbung, verbreiten Stolz, steigern das Selbstbewusstsein.
Doch wer wird heute jubeln dürfen, wer darf der Bilanz einen weiteren Sieg hinzufügen? Bislang spricht die eindeutig für die Mannen von der Weser. Genau die Hälfte der 48 Duelle sah GWD als Sieger, 16 Mal ließ sich der TuS feiern, acht Mal teilte man sich die Punkte. Fast zehn Jahre ist es inzwischen her, dass die Lübbecker auf eigener Platte gewannen. Der 15. Dezember 1995 bescherte ihnen das 28:22 den letzten Heimsieg. Fortan gab es Unentschieden oder Siege für die »Grün-Weißen«. Überhaupt sah die Punktspielbilanz in den zurückliegenden Jahren vor dem letzten Duell am 13. November in der Kampa-Halle äußerst bescheiden für den TuS aus. Seit Anfang 1996 bis Sommer 2004 gab es nur einen einzigen Lübbecker Sieg (27:26 in Minden, 1998). Demgegenüber standen aber sieben Niederlagen und sechs Unentschieden.
Bis jener Samstag, der 13. (November) kam, an dem Jens Pfänder mit seinen Mannen im torreichsten Derby aller Zeiten (40:37) die Kampa-Halle stürmte. Doch dieser Sieg ist kein Ruhekissen, denn heute werden - wie immer im Derby - die Karten wieder völlig neu gemischt. »Es kann alles passieren, auch wenn wir vom Papier her Favorit sind. Aber auch Papier ist geduldig«, sieht Jens Pfänder ein völlig offenes Duell. Beide Seiten geben sich optimistisch, kämpferisch. »Wir müssen Revanche nehmen«, kündigt Velimir Kljaic an. »Wir haben gute Chancen in Lübbecke zu gewinnen.« Pfänder hält dem entgegen: »Wir müssen sehr engagiert spielen und Minden unser Tempospiel aufzwingen. Gelingt es uns in der Abwehr gut zu stehen und dadurch mit Tempo nach vorn zu gehen, dann sehe ich große Erfolgsaussichten für uns.«
In den Lagern ist man sich einig, dass hüben wie drüben Spieler in der Lage seien, dieses Duell für ihre Farben zu entscheiden. »Es wird insbesondere auf die individuellen Stärken ankommen«, so Pfänder, der natürlich wie auch sein Gegenüber unbändigen Kampf und Einsatz sowie den absoluten Willen zum Sieg einfordert. »Für uns könnte es allerdings von Vorteil sein, dass wir die Zuschauer im Rücken haben und uns die Atmosphäre beflügelt.« Gerade in Lübbecke dürfte jeder Spieler wissen, was die Fans heute von ihm fordern. Beim Gang durch die Innenstadt wurden Pfänders Schützlinge nicht selten von Passanten angesprochen und ihnen die Bedeutung des Kreisduells deutlich gemacht. Pfänder: »Jeder bei uns weiß, was das Derby für unsere Fans bedeutet!«
Für den Gast natürlich auch ein wichtiges Argument. Noch wichtiger ist allerdings der anvisierte Klassenverbleib. Und da wären zwei Auswärtspunkte die Konkurrent Düsseldorf eben hat nicht in Lübbecke einfahren können, eine große Hilfe. »Wir müssen es heute richtig fliegen lassen. Vier Punkte aus den nächsten drei Spielen sind Pflicht«, stellt »Velco« Kljaic eine klare Forderung vor dem Schlüsselspiel in Düsseldorf für die Partien in Lübbecke, gegen Wallau und in Schwerin auf. »Damit würden wir auf jeden Fall vor Pfullingen bleiben.« Und das würde zumindest den Direktabstieg verhindern.
Mit einem bissigen Gegner rechnet Derby-Torschützenkönig Tomas Axner, der sich bei derzeit 61 Treffern den »Platz an der Sonne« mit Robert Hedin teilt, nach seinem achten Derby-Einsatz aber alleiniger Spitzenreiter werden sollte: »Wir haben den TuS praktisch zwei Mal in die 2. Liga geschossen. Das wird man nicht vergessen haben.« Sowohl Kljaic als auch Axner sind sich einig, dass man heuer nur eine Chance hat, wenn man das Lübbecker Tempospiel unterbinden kann. »Das gilt insbesondere für die schnelle Mitte«, so der kroatische Coach. Und genau das sieht wiederum Jens Pfänder als jene »Waffe«, die es durchzusetzen gilt. »Entscheidend ist, dass wir den Gegner beschäftigen und nicht er uns. Wir müssen den Weg des Derbys vorgeben.«
Ob das auf beiden Seiten mit dem kompletten Personal geschehen wird; in diese Karten ließen sich sowohl Lübbeckes als auch Mindens Trainer nicht blicken. Auf beiden Seiten bangt man um den Kapitän: Beim TuS um Kreisläufer Patrick Fölser (Bänderriss im Fuß), bei GWD um Torjäger Arne Niemeyer (Bänderdehnung im Ellenbogen). Allerdings rechnen die Fans hüben wie drüben damit, dass beide Fragezeichen mit dem Anpfiff durch ihr Mitwirken einem Ausrufezeichen weichen werden.

Artikel vom 20.04.2005