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Einzelhandel: zwischen Licht und Schatten

Zur aktuellen Situation der Branche in Ostwestfalen-Lippe - verbesserte Rahmenbedingungen

Von Stefan Genth
Wo steht der Handel in Ostwestfalen-Lippe zu Beginn des Jahres 2005? Zwischen Licht und Schatten. Wenn auch teilweise die bundesweiten Meldungen, insbesondere der Konsumforscher, etwas anderes verlautbart haben, mussten wir bereits im Weihnachtsgeschäft in Ostwestfalen-Lippe feststellen, dass bei einem insgesamt schlechten Jahresverlauf 2004 zwar die Umsätze im Weihnachtsgeschäft besser waren als im übrigen Jahr, dennoch aber auch in 2004 insgesamt wiederum ein Minus von 1,6 Prozent eingefahren wurde. Inflationsbereinigt ist dieses Minus sogar noch größer.

Und dies, obwohl die Rahmenbedingungen durchaus besser geworden sind. Die Hartz-IV-Gesetze haben Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammengefügt und den Bezug von Arbeitslosengeld verkürzt. Es ist wieder attraktiver geworden, sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Es hat Verbesserungen bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen und bei der Leiharbeit gegeben. Erste Schritte sind eingeleitet, um die Arbeitsvermittlung zu beschleunigen, zumindest für kleine Unternehmen ist das Beschäftigungshemnis Kündigungsschutz beseitigt worden. Zur Senkung der Lohnkosten je Stunde und zur Stabilisierung der Beschäftigung ist vielfach eine Verlängerung der Arbeitszeit bei gleichem Lohnniveau ausgehandelt worden.
Laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) sind die Verbraucher überdies im Jahre 2005 nicht mehr so empfindlich. Die Stimmung der Kunden habe sich trotz einer Reihe von schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft weiter verbessert, so die Konsumforscher aus Nürnberg. Laut der aktuellen Umfrage planen die Verbraucher erstmals wieder mehr Anschaffungen. So stieg die Bereitschaft zum Kauf von Produkten wie Möbel oder Haushaltsgeräten erneut, aber zu der Absicht der Verbraucher, wieder mehr auf »Einkaufstour« gehen zu wollen, sei laut GFK noch mehr Zuversicht nötig.
Wie die Gesellschaft für Konsumforschung erklärte und andere Meinungsforschungsinstitute prognostizieren, hat sich das Geschäftsklima im Einzelhandel und das Konsumklima Anfang 2005 abermals verbessert. Auf der Positivseite stehen Steuerentlastungen der privaten Haushalte von 5 Milliarden Euro. Auf der Negativseite notieren die Volkswirte die seit Dezember geltende Erhöhung der Tabaksteuer und die Belastung der Haushalte durch die Hartz-IV-Reform.
Einerseits wird die verfügbare Kaufkraft beim Kunden aufgrund der äußeren Rahmenbedingungen nicht größer, andererseits nimmt der Anteil des verfügbaren Einkommens, der im Einzelhandel ausgegeben wird, kontinuierlich zugunsten anderer Ausgaben und Branchen, wie zum Beispiel der Touristik- und Reisebranche ab.
Dennoch nehmen die Verkaufsflächen bei einem weiteren Flächenwettbewerb deutlich zu. Dies trifft auch für Ostwestfalen-Lippe zu, wo in den Oberzentren Bielefeld und Paderborn bereits mehr als zwei Quadratmeter Verkaufsfläche je Einwohner festzustellen sind. Im Bundesdurchschnitt sind dies nur 1,3 Quadratmeter über alle Branchen verteilt. Der Kunde hat daher in Ostwestfalen-Lippe ein exzellentes Einzelhandelsangebot in den Städten und Gemeinden mit einem ausgewogenen Branchenmix von großen Kauf- und Warenhäusern, SB-Warenhäusern, Lebensmittelbetrieben, Discountern und vielen spezialisierten Fachgeschäften mit einem hervorragenden Service und einer hohen Produktqualität.
Diese Vielfalt zu erhalten und zu stärken muss eine gemeinsam Aufgabe von Wirtschaft und Politik sein, die gewachsenen Standorte des Handels zu stärken und zu entwickeln und unter Berücksichtigung der demografischen Entwicklung in der Region OWL auch für die Zukunft eine flächendeckende Nahversorgung zu gewährleisten. Mit dem Regionalen Einzelhandelskonzept OWL hat die Region eine zukunftsweisenden Weg beschritten, der nicht nur vorbildlich ist, sondern die oben skizzierten Aufgaben im Konsens verfolgt.
Wenn auch ein weiteres Einbrechen des Umsatzes für das Jahr 2005 so nicht ohne weiteres erwartet werden kann, bleibt eine durchgreifende Trendwende bei der Binnennachfrage und bei der Einzelhandelskonjunktur noch abzuwarten. Eine Umsatzprognose für das Jahr 2005 wird daher sehr schwierig sein.
Dem gegenüber ist ein Blick auf die Preisentwicklung in Deutschland nach wie vor ebenso interessant. Wenn auch in der Öffentlichkeit, insbesondere bei der Euro-Einführung, dem Handel unterstellt wurde, die Preise erheblich angehoben zu haben, zeigt ein Blick in die amtlichen Zahlen völlig anderes. Der Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte betrug 2003 1,1 Prozent.
Für den Einzelhandel gilt es mehr denn je, die eigene Position in diesem Wettbewerb zu finden, mit Service und Beratung den Kunden zu überzeugen und zu binden. Hierbei ist auch der Handel zu innovativen Konzepten und Wegen aufgerufen.
Im Lebensmitteleinzelhandel sind heute bereits viele Beispiele innovativer Zukunftskonzepte zu finden. Intelligente Chip-Technologie seht im Mittelspunkt des Supermarktes der Zukunft. Selbständig arbeitende Waagen, handliche Computer als persönliche Einkaufsberater, multimediale Warenauszeichnungen und Produktinformationen direkt am Warenregal und automatisierte Kassen sind nur einige Beispiele. Im Textilhandel kann der Kunde selbst Modell für seinen Maßanzug stehen, seine persönliche Konfektionsgröße wird mit dem neuen Verfahren des Body-Scanning direkt umgesetzt. Viele weitere Entwicklungen befinden sich kurz vor der Markteinführung.
Unabhängig der neuen Technologien muss natürlich der Kunde im Mittelpunkt des Handels stehen. Mit einem neuen »E-learning-Training«, dass der Einzelhandelsverband mit dem Medien- und Beratungsunternehmen GAUS aus Dortmund und dem Gildenhaus für den Handel anbietet, soll die Servicequalität durch Mitarbeiter-Schulungen via Internet wesentlich verbessert und gestärkt werden. Der Kunde selbst muß sich jedoch auch bewußt machen, daß er mit seiner Einkaufsentscheidung heute auch entscheidend das Bild des Handels und der Innenstädte morgen prägt.

Artikel vom 23.04.2005