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Baupfusch: Haus hat mehr als 80 Mängel

Bauträger spielte ein übles Spiel und verlor vor Gericht

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Der Traum vom eigenen Häuschen - er kann zum Alptraum werden, wenn man an einen windigen Bauträger gerät. Eine Familie aus Paderborn hat der Ärger ums Eigenheim schon zur Verzweiflung getrieben. Doch das Landgericht sorgte nach sieben Jahren für ein Happyend.

Klaus und Tessa V. hatten im August 1998 von einer Bauträgergesellschaft ein Grundstück mit einer Doppelhaushälfte gekauft. Der Notar beurkundete einen Kaufpreis von damals 370 000 D-Mark, umgerechnet knapp 190 000 Euro. Glücklich bezog die Familie ihr neues Domizil, doch die Freude war von kurzer Dauer. Denn bei näherem Hinsehen erwies sich das scheinbar schmucke Haus als wider alle Regeln der Baukunst zusammen geschusterte Pfuschbude.
Zum Glück hatten die Käufer noch nicht den vollen Preis gezahlt und 23 000 Euro zurück behalten. Bei zwei Objektbegehungen sicherte die Firma zu, alle protokollierten Mängel zu beseitigen. Es blieb jedoch beim Lippenbekenntnis. Sämtliche Fristen ließ das Unternehmen verstreichen, verweigerte stattdessen die Grundbuchumschreibung, erklärte den Rücktritt vom Vertrag, verlangte Haus und Grundstück zurück und klagte schließlich noch den restlichen Werklohn ein.
Ein Schuss, der nach hinten losging. Richterin Marietheres Schilling ließ nämlich ein Sachverständigengutachten machen, und das fiel für die Gesellschaft geradezu vernichtend aus. Der vereidigte Fachmann entdeckte mehr als 80 unerledigte Restarbeiten und Mängel in einem Gesamtumfang von rund 100 000 Euro.
Die Firma behauptete daraufhin, der beurkundete Vertrag sei ohnehin unwirksam. Man habe nämlich unter der Hand vereinbart, dass 30 000 D-Mark schwarz fließen sollten. Tatsächlich wäre der Vertrag in diesem Fall null und nichtig.
Die Richterin entschied jedoch verbraucherfreundlich. Das Vorgehen der Firma sei ein Verstoß gegen Treu und Glauben, stellte sie fest. Trotz der vermeintlichen Nichtigkeit des Vertrages habe sie restlichen Werklohn eingeklagt und das angebliche Schwarzgeld erst nach Vorliegen des für sie negativen Gutachtens ins Spiel gebracht. »Die Klägerin will sich, nachdem sie Jahre lang das Vertrauen der Beklagten in die Wirksamkeit des Vertrages genährt hat, wieder in den Besitz des bebauten Grundstücks bringen«, deckte Marietheres Schilling die Trickserei des Bauträgers schonungslos auf.
Familie V. muss dem Unternehmen auch keine weitere Möglichkeit zur Nachbesserung einräumen. Denn aufgrund der Schwere und Vielzahl der festgestellten Mängel sei das Vertrauen der Beklagten zu Recht erschüttert.
Die eingeklagten 23 000 Euro kann sich das Unternehmen abschminken. Die Hauskäufer können stattdessen »Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen«, heißt es im Urteil des Landgerichts Paderborn. Az.: 2 O 16/03

Artikel vom 15.04.2005