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Pflanzen schauen aus der Röhre

Förster Matthias Wolff nutzt außergewöhnliche Aufforstungsmethode

Von Frank Spiegel
Beverungen (WB). Moderne Kunst oder Umweltfrevel? Manche Zeitgenossen, die durch das Beverunger Waldgebiet Hohenstein wandern, wundern sich über die Hunderte von hellgrünen Röhren, die dort auf einer Lichtung stehen. Beide Vermutungen sind aber falsch. Es handelt sich um eine landesweit bisher erstmals in dieser Größe praktizierte Art der Aufforstung.

»Von der Ästhetik her ist das sicher alles andere als Ýschicke ForstwirtschaftÜ, die Vorteile dieser Methode überwiegen jedoch«, erklärt Matthias Wolff, Revierförster im Stadtwald Beverungen. Diese Röhren der Marke »Tubex« und eine von Dr. Heinz Gockel vom Staatlichen Forstamt Bad Driburg entwickelte Pflanzmethode gewährleisteten eine kostengünstigere Möglichkeit der Aufforstung, als dies ohne die Röhren der Fall wäre.
Wie Wolff berichtet, wurde die Aufforstung notwendig, weil der Borkenkäfer die Fichtenbestände stark dezimiert hat. 20 Hektar müssen nun im gesamten Stadtwald wieder mit Bäumen versehen werden. »Mit den Röhren reicht es, wenn auf einem Hektar Fläche 2 300 junge Traubeneichen, Vogelkirschen, Hainbuchen oder Elsbeeren gepflanzt werden, ohne Röhren würden 10 000 benötigt«, erläutert der Revierförster. Das Ergebnis nach 250 Jahren sei das gleiche: »Es werden 120 stattliche Bäume entstehen.« Die Kosten nach der herkömmlichen Pflanzmethode lägen bei etwa 12 500 Euro pro Hektar nur für die Anpflanzung, mit der neuen Technik seien nur etwa 7 500 Euro zu zahlen.
Doch das ist nicht der einzige Vorteil, den diese gewöhnungsbedürftig anzusehende Methode bietet. Matthias Wolff: »Die jungen Pflanzen wachsen dreimal schneller als normal.« Das liege an dem Treibhausklima, das in der Röhre entstehe. Selbst bei sehr trockener Witterung schlage sich morgens der Tau an den Innenwänden nieder und bewässere die kleinen Bäume. »Vor allem sparen wir auch Mähkosten«, nennt er einen wesentlichen Vorteil. In der Röhre könnten die Jungpflanzen frei wachsen. Auch komme es vor, dass beim Mähen mancher junge Baum unters Messer gerate, weil er im hohen Gras nicht immer als solcher erkennbar gewesen sei. Dass die Pflanzen so auch optimal gegen Wildverbiss und Mäuse geschützt seien, sei bei all diesen Vorteilen eine »angenehme Begleiterscheinung«
Wie Matthias Wolff berichtet, werden die Bäume in der so genannten »Trupppflanzung« gesetzt. »Es stehen immer 25 Pflanzen zusammen, dann folgen fünf Meter Freiraum«, beschreibt der Revierförster die ausgeklügelte Methode. So könnten zum Beispiel die Traubeneichen nicht in die Breite wachsen. »Es entstehen schlanke und hohe Stämme«, erläutert er.
Die Verwendung der »Tubex«-Röhren hat Matthias Wolff getestet, bevor er sie in diesem großen Stil eingesetzt hat. »Im Frühjahr 2003 habe ich einen Versuch gestartet, heute schauen schon Zweige mit grünen Blättern aus den Röhren«, erklärt er und deutet anschließend auf die dagegen sehr bescheiden wirkenden Bäumchen, die er zu Vergleichszwecken ohne die Röhren gepflanzt hat.
Um deren Entsorgung muss sich übrigens niemand kümmern. »Das Sonnenlicht zerstört sie. Nach sechs bis acht Jahren sind sie zerfallen und kompostieren«, erklärt der engagierte Revierförster.

Artikel vom 14.04.2005