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Mit Musik der Not begegnen

Cellist Thomas Beckmann und Sigmund Bothmann geben Benefizkonzert

Gütersloh (WB). Für Gütersloh ist das von der Bewegung »Gemeinsam gegen Kälte« und der Diakonie Gütersloh organisierte Konzert »Beckmann spielt Cello« ein erstes Benefizkonzert. Dafür verzichteten der renommierte Cellist Thomas Beckmann und Organist Sigmund Bothmann auf ihre Gage zu Gunsten medizinischer Hilfe für Obdachlose und für die Sanierung der Wohnungen armer Menschen.

Gütersloh reiht sich mit dieser Benefizveranstaltung, deren Schirmherrschaft Bürgermeisterin Maria Unger übernommen hat, in eine Konzerttournee des bedeutenden Cellisten Thomas Beckmann ein, die durch ganz Deutschland führt. Schirmherr für Nordrhein-Westfalen ist Ministerpräsident Peer Steinbrück, und im Beirat finden sich Namen wie Bundespräsident a.D. Richard von Weizsäcker Dieser prominente Rahmen wird von dem herausragenden Cellisten mit wunderbarer Musik erfüllt, die einerseits hohen künstlerischen Erwartungen gerecht wird, andererseits einem humanitären Zweck dient.
Das Konzertprogramm stand ganz im Namen des Komponisten Johann Sebastian Bach. Zu Beginn ließ Sigmund Bothmann die vor fünf Jahren renovierte Steinmeyerorgel ertönen. Das Instrument erfüllte den ganzen Klangraum, und es konnte jedem in der voll besetzten Martin-Luther-Kirche einen Eindruck von Erhabenheit und Größe vermitteln, wenn Bothmann sein Präludium und die Fuge in Es-Dur erklingen ließ. Es wurden alle Register gezogen, Crescendi wechselten sich ab mit Decrescendi, synkopische Modulationen erwirkten eine Steigerung der Spannung, und die Atmosphäre war erfüllt von einer tröstenden Hoffnung und Bewegtheit.
Nach dieser Vorbereitung spielten Bothmann und Beckmann im Duo den Choral für Violoncello und Orgel »Das alte Jahr vergangen ist«. Dies ist die Überleitung zum Solokonzert Thomas Beckmanns, in dem er mit der 1. und 3. Cellosuite von Bach sein Können zeigte. »Bach legte mit seinen sechs Cellosuiten einen Grundstein für die Cellomusik, und gleichzeitig ist dieser Anfang schon wie ein Gipfel für Cello als Soloinstrument«, berichtete Beckmann. Er führte in den tieferen Sinngehalt der Stücke ein.
Wenn man mit geschlossenen Augen lauschen würde, dächte man nicht, dass nur ein Cello auf der Bühne ist. Die Terzen im zweiten Satz der dritten Suite wurden brillant gemeistert. Beginnend mit dem vielstimmigen Einklang, der in die Besinnlichkeit einmündete, die den Durchbruch zur Doppeltonalität erfuhr, sich weiter steigerte in die große Virtuosität und sich dann dem Sakralen hingab, ist und bleibt diese ganze Suite einzigartig in der Celloliteratur.
Die Bourree 1 steht schließlich für ein neues, erhobenes Menschsein, hat höfischen Charakter, aber die Kehrseite dieses Zustandes wird nicht vergessen in der Bourree 2. Sie ist wie ein Schatten mit ihren Mollakkorden der Traurigkeit und schmerzlicher Sehnsucht. Die vollkommene Transformation der Negativität wird in der Gigue erreicht. Hier spürte man auch dem Menschen Beckmann sein tiefes Vertrauen in das Gute an. Nichts kann ihn halten, wenn er die volle Resonanz seines Instruments »Il Medikante« des Geigenbauers Giambattista Guadagnini (1711-1786) mit die Seele berührenden Klängen entfaltet. Beckmann schafft ganz verinnerlichte wie nach außen gehende Klangräume. Er bringt Gegensätze, die sich in Bachs Werk finden, deutlich zum Ausdruck, vereint aber durch sein großes Können die Höhen mit den Tiefen, das Äußere mit dem Inneren, die Weite und Größe mit dem Kleinen und Zarten, das Freudevolle mit dem Schmerzlichen. Bachs Musik wohnt ein kontinuierlicher Neubeginn inne, dann eine Art Prüfung wie ein Rückfall oder Schatten als Gegenpol des Beginns, und zum Schluss endet jedes Stück mit einem Sieg über die Dunkelheit. Es endet in Harmonie. So auch die Zugabe, die Beckmann nach dankbarem Applaus gab, da im letzten Ton sein Pianissimo wie im Durchgang durch ein Öhr die Zukunft wärmend erhellte.
Johannes Zoller

Artikel vom 12.04.2005