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Lager der
Wehrmacht
geplündert

Das Ende des Hitlerkrieges - Teil 3

Büren (WV/hpm). Vor 60 Jahren endete auch für die Menschen in Büren der Zweite Weltkrieg. Gehörlosenlehrer Josef Schmücker hat die Ereignisse vor und während des Einmarsches der Amerikaner in der alten Kreisstadt festgehalten. Hier nun der dritte Teil seiner Aufzeichnungen:

Viel Volk war auf den Straßen, fast mehr Fremde als Einheimische. Jeder kaufte, was er noch auf seine Lebensmittelmarken kaufen konnte. Allmählich ging das Plündern los. Nicht Privateigentum, sondern die Lager, die dem Staat oder der Wehrmacht gehörten, wurden ausgeräumt. In der Schützenhalle lagerten unvorstellbare Mengen an Textilien - vor allem Damenstrümpfe, Damenunterwäsche und auch Stoffe - zum großen Teil oder alles aus Frankreich, Holland und Belgien stammend. Planlos wurde auseinander gerissen Alles konnte man nicht ausräumen. Es war zu viel. Im Keller der Jesuitenkirche lagen hunderte Kisten mit Wein und Spirituosen. Ein Menschenknäuel drängte und wühlte und raffte und zankte. Die Feuerwehr wurde alarmiert, um die Ruhe wieder herzustellen. Keine Flasche blieb im Keller.
In den Lagerräumen von Breider & Rothfeld an der Bahnhofstraße hatte die Luftwaffe ein Magazin, worin fast alles zu finden war (Werkzeuge, Werkbänke, Messinstrumente, optische Geräte, Thermosflaschen usw.). Vieles wurde auf Befehl zerschlagen, wie beispielsweise die vielen großen Feldstecher. Das meiste wurde aber geplündert. Es sollte den Amerikanern nicht in die Hände fallen.
Die Polizeibehörde hatte die Firma Ocken, Aftestraße, beauftragt, das Lager nach Möglichkeit abzufahren. Aber nur ein geringer Teil kam in die Hände der Firma Ocken und wurde von dieser ordnungsgemäß verkauft.
Am Karsamstag, kurz nach Mittag, kam der Kreisleiter zurück, sah die weißen Fahnen und stürmte in das Rathaus. Dort zwang er Bürgermeister Löser, eine Verordnung zu erlassen, dass sofort alle weißen Fahnen eingezogen werden sollten. Die Zettel, auf denen die Verordnung stand, sollte der Schulknabe Grundmeier austragen.
Aber kaum hatte er begonnen, da wurden sie ihm schon von Bürener Männern abgenommen und kamen so nicht zur Verteilung. Der Kreisleiter lief persönlich in einige Häuser am Markt und forderte die Bewohner auf, die weißen Fahnen einzuziehen. Niemand folgte der Aufforderung.
Beim Schumachermeister Wagener wurde der Kreisleiter nach kurzem Wortwechsel sogar handgreiflich. Da verbreitete sich das Gerücht, die Amerikaner stießen auf Büren zu. Sie hätten Hegensdorf schon erreicht. Ein Anrufer habe das gemeldet. Da war der Kreisleiter plötzlich zum zweiten Male verschwunden.
Um die gleiche Zeit kamen SS-Offiziere vom Kapellenberg in einem Auto nach Büren, um sich über die Lage zu informieren. Sie durchfuhren die Stadt und kamen zurück bis zur Bertholdstraße in die Höhe der Turnhalle. Dort stand der kleine DKW und rührte sich nicht mehr. Er sollte durch Anschieben wieder flott gemacht werden. So kam er bis zur Ecke Bertholdstraße/Königstraße. Da ging ein Raunen und Flüstern durch die Volksmenge: »Die Amerikaner sind schon bei Böhners Mühle.« Die SS-Offiziere ließen den DKW die Königstraße hinunterlaufen. Er sprang aber nicht mehr an. Vor der Post blieb er stehen und die Insassen suchten zu Fuß das Weite. Sie, ihre SS-Männer und andere zusammengesuchte Soldaten haben am Ostersonntag vor Steinhausen noch eine Verteidigung versucht. Dabei wurden die Scheune des Bauern Rüther-Schmies und das Wohnhaus des Bauern Kordes eingeäschert.

Artikel vom 12.04.2005