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Lässt Otto die Mauer stehen?

WB-Sportstudio: Frank M. Welsch geht - Im Sommer kommt Schalke 04

Von Dirk Heidemann
und Marco Purkhart (Foto)
Gütersloh (WB). Im Februar 2000 bat Dr. Rainer Schils Frank M. Welsch, 1. Vorsitzender des neuen FC Gütersloh 2000 zu werden. »Er sprach von etwa einer Stunde Arbeit pro Tag für den Verein«, erinnert sich Welsch. Es wurden bis zu 40 Stunden pro Woche. Nach fünf Jahren ist nun Schluss mit dem Stress. Welsch stellt sich am kommenden Dienstag auf der Jahreshauptversammlung des FCG nicht zur Wiederwahl.

Fünf Jahre voller Höhen und Tiefen liegen als 1. Vorsitzender hinter Ihnen. Welche Momente bleiben in Erinnerung?Frank M. Welsch: Wir haben es geschafft, 450 Kinder und Jugendliche im neu gegründeten FCG zu halten, die sonst auf der Straße gestanden hätten. Nichts gegen Spexard und Avenwedde - aber das ist eben nicht Gütersloh. Es muss einen Verein geben, der den Namen der Stadt trägt und der die Chance hat, höherklassig zu spielen. Hier ist natürlich auch die heimische Wirtschaft gefordert. Es muss chic sein, für und mit dem FCG Werbung zu machen. Und bezüglich des Stadtmarketings, für das jährlich bis zu einer Million Euro ausgegeben wird, kann ich nur sagen: Bessere Werbung als einen Fußballklub im Fernsehen kann es für eine Stadt nicht geben. Viele Menschen haben einfach noch nicht kapiert, dass Fußball für viele tausend Menschen Kultur ist. Kinder lassen sich begeistern. Da packe ich mir doch an den Kopf, wenn ich lese, dass hier für 35 Millionen ein neues Theater gebaut werden soll. Wer Theater gucken will, der soll nach Bielefeld fahren.
Und was bleibt an negativen Erinnerungen hängen?Frank M. Welsch: Es gab menschliche Enttäuschungen. Ich hätte mir mehr Solidarität dem Verein und auch meiner Person gegenüber gewünscht. Der Erfolg hat viele Väter - aber in der Not ist man eben immer allein. Wobei ich allerdings einräumen muss, dass aus finanzieller Sicht nicht immer alles richtig war, was wir gemacht haben. Manchmal waren die Erwartungen eben zu euphorisch.
Sie blieben, während Georg Kreß, Oliver Ruhnert, Maik Walpurgis, Rob Reekers sowie Fritz Grösche kamen und gingen. Wie bewerten Sie im Nachhinein die Arbeit der Trainer des FCG?Frank M. Welsch: Wenn wir das Beste von jedem nehmen würden und daraus einen Trainer machten, dann hätten wir den besten Coach der Welt. Georg Kreß ging durch dünn - aber nicht durch dick. Er stand am Ende nicht mehr hinter dem Verein und war ein wenig mimosenhaft. Oliver Ruhnert hat dann genau so viele Punkte geholt wie Kreß mit einer Mannschaft, die doppelt so gut besetzt war. Unter Maik Walpurgis hatten wir unsere erfolgreichste Zeit. Dann wurden aber Defizite deutlich, die nur Reinhard Schröter als Intimus erkennen konnte. An diesen Defiziten ist Maik ja offenbar auch bei Arminia Bielefeld gescheitert. Rob Reekers ist über jeden Zweifel erhaben - unsere Spieler waren für ihn einfach zu schlecht. Er ist es einfach nicht gewohnt, dass Spieler nicht einmal die notwendigsten Fähigkeiten wie das Stoppen eines Balles beherrschen.
Ein Grund dafür, dass Ihnen der Aufstieg in fünf Jahren leider vergönnt geblieben ist?Frank M. Welsch: Generell wird unser Fußball-Nachwuchs zu schlecht ausgebildet. Tiger Woods ist der beste Golfspieler der Welt. Trotzdem geht er jeden Tag auf den Platz und schlägt hundert Bälle. Bei uns müsste jeder Spieler nach dem normalen Training 50 Elfmeter schießen, 50 Ecken schlagen und 50 Freistöße üben. Es geht nur mit 10 Prozent Zucker und 90 Prozent Peitsche.
Sie gelten als innovativer Typ, der neuen Ideen gegenüber stets aufgeschlossen ist. So fuhren Sie mit dem Traktor in den Heidewald ein oder ließen Georg Kreß auf einem Kamel reiten. Was kann der FCG weiter tun, um im Gespräch zu bleiben?Frank M. Welsch: Mit Interesse verfolge ich die Auseinandersetzung zwischen der FIFA und Kamerun bezüglich der einteiligen Trikots - diese Idee hatte ich schon vor vielen Jahren. Da sieht jeder Schiedsrichter sofort, wenn am Trikot gezogen wird, weil der eng anliegende Stoff extrem dehnbar ist. Als ich mit unserem Ausrichter »goool« darüber sprach, waren auch die Leute von Borussia Dortmund begeistert. Das Problem: BVB-Fans kaufen meist in XXL - das sieht bei den taillebetonten Einteilern natürlich nicht wirklich gut aus. Ein anderer Vorschlag von mir ist visionär für den gesamten Fußball: Weg mit der Mauer bei Freistößen! Das habe ich beim Spiel Schalke gegen Bayern nach Lincolns Freistoßtor Otto Rehhagel erzählt. Der hat mich zwar ganz komisch angeguckt, aber ich wette, in zwei Jahren lässt Otto keine Mauer mehr stellen.
Aus dem Wirtschaftsrat kommt Ihr legitimer Nachfolger. Wie verlief die Diskussion?Frank M. Welsch: Sehr harmonisch. Der Mitgliederversammlung werden am Dienstag zwei Kandidaten vorgeschlagen. Früher wollten im Wirtschaftsrat viele Leute mitreden, aber keiner hat sein Portemonnaie aufgemacht. Statt zu helfen, damit wir wieder aufstehen, wurde im zweiten Jahr des neuen FCG sogar noch auf ihm herumgetreten, damit er liegen bleibt. Solche Leute haben im Wirtschaftsrat jetzt nichts mehr zu suchen. Eines kann ich meinem Nachfolger allerdings nur raten: Wer den Verein führen will wie sein eigenes Unternehmen, der wird scheitern. Eigene Interessen dürfen nicht voran stehen, es geht ausschließlich um die Interessen der Mitglieder.
Der Verein will bis zum 30. Juni sämtliche Altlasten abgebaut haben und schuldenfrei in die neue Saison gehen. Gelingt dieses Unterfangen?Frank M. Welsch: Wir werden nicht mit Verbindlichkeiten aus der alten Saison in die neue gehen und mit dem neuen Etat alte Löcher stopfen. Dazu wird auch ein Vorbereitungsspiel im Sommer dienen, dass wir gegen den FC Schalke 04 absolvieren werden. Die Liquidität ist vorhanden, unsere Finanzen sind geordnet.
Sie haben auch persönlich Geld in den Verein gesteckt. Bekommen Sie Ihre Investitionen zurück erstattet?Frank M. Welsch: Jeder Vorsitzende steckt Geld in seinen Verein. Außerdem bekomme ich auch Gegenleistungen in Form von Werbemaßnahmen. Ich komme mit Kunden in Kontakt, die für meine Kanzlei interessant sind. Mir reicht es, wenn beim Stadionumbau im neuen Sportheim eine Plakette mit meinem Namen angebracht wird.
Gerade in wirtschaftlich schweren Zeiten wird immer wieder gefordert, die Kräfte zu bündeln. Wird es jemals eine Fusion zwischen dem FC Gütersloh und dem SC Verl geben?Frank M. Welsch: Mit Peter Mankartz würde ich sofort eine Fußballmannschaft aufmachen. Vom Kopf her wäre eine Fusion sinnvoll, doch Fußball hat ja nicht viel mit Vernunft zu tun. Das Herz vieler Gütersloher und Verler würde mit Sicherheit dagegen sprechen. Würden allerdings die jeweils 20 führenden Sponsoren aus Verl und Gütersloh über Jahre hinweg dieses Team begleiten, dann wären vielleicht auch alle mit dem Herzen dabei und die ganze Sache hätte durchaus eine Chance, in der 2. Liga zu enden.

Artikel vom 09.04.2005