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»Weniger Gewalt im Bettenhaus«

Der geplante Neubau der Westfälischen Klinik weckt Sorgen im Gestaltungsbeirat

Von Stephan Rechlin
Gütersloh (WB). Vier Riegel, zwei Geschosse, ein eingeschlossener Innenhof, eingezäunte Gärten - das geplante neue Bettenhaus der Westfälischen Klinik sieht auf den ersten Blick wie ein moderner Knast aus. Die Mitglieder des Gestaltungsbeirates hatten darum viele Fragen.

Eine Sorge konnten ihnen Joachim Wieners, Architekt beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), und Klinik-Verwaltungsleiter Reinhard Loer von vornherein nehmen. Auf vier Stationen und einer Intensiveinheit sollen ausschließlich normale Patienten psychiatrisch behandelt werden - keine Straftäter. Die Sorge hatte ein Satz in der Vorlage zur Sitzung des Beirates ausgelöst. Dort heißt es: »Durch die zonierte Anordnung der verschiedenen Nutzungsbereiche wird eine angestrebte Gewaltminimierung im stationären Bereich planerisch umgesetzt.«
»Der im medizinischen Bereich übliche Terminus der Gewaltminimierung bedeutet schlicht, dass die Patienten, die zu uns kommen, erst einmal zur Ruhe kommen sollen«, erläutert Loer. Häufig seien sie bei ihrer Ankunft verängstigt, zutiefst beunruhigt. Der geschlossene Innenhof solle darum nicht etwa einem Ausbruch vorbeugen, sondern dem Patienten das Gefühl von Schutz und Sicherheit vermitteln.
So wie der Innenhof ist das gesamte Gebäude vor allem von den Bedürfnissen der Patienten und vom möglichst reibungslosen Ablauf der Pflege her geplant. Die Intensiveinheit im Erdgeschoss ist zwischen den Stationen eins und zwei angesiedelt. Sie wird über einen separaten Eingang verfügen, in den Patienten auch liegend hineingeschoben werden können. Die Pflegedienstzimmer liegen dem Plan zufolge im Mittelpunkt jeder einzelnen Station und sollen auf diese Weise eine gute Überschaubarkeit und kurze Wege ermöglichen. Therapie-, Gruppen- und Diensträume sind in einem eigenen Bauteil geplant. Jeweils zwei Stationen können in einer Geschossebene diese zusammengelegten Räume und Therapieangebote gemeinsam nutzen, darunter einen Bewegungstherapieraum.
Die Patienten werden in Doppel- und jeweils zwei Einzelzimmern je Station untergebracht. Jedes dieser Zimmer enthält eine Nasszelle mit Dusche, WC und Waschbecken. Noch heute müssen sich mitunter acht (!) Patienten ein Zimmer und das WC auf dem Flur teilen. Nicht zuletzt diese Zustände veranlassten das nordrhein-westfälische Gesundheits-Ministerium, den 9,6 Millionen Euro teuren Neubau schon in diesem Jahr mit sechs Millionen Euro zu fördern.
Die Neubau-Gestaltung nach »inneren« Erfordernissen hat seinen »äußeren« Preis. Doch die Kritik des Gestaltungsbeirates an Standort, Zweigeschossigkeit und dem Abholzen zahlreicher Bäume braucht der LWL nur zur Kenntnis zu nehmen - reagieren muss er darauf nicht. Denn das Areal der Westfälischen Klinik unterliegt wie das der britischen Armee einer baurechtlichen Ausnahme: Die Stadt hat hier nichts zu melden.

Artikel vom 08.04.2005