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Zwei Kranke im Haus und am Ende der Kraft

Ambulanter Hospizdienst hilft pflegenden Familien

Von Andrea Pistorius
(Text und Foto)
Paderborn (WV). »Ich weiß heute nicht, wie ich das alles geschafft habe«. Resi Bickmann hat Vater und Mutter bis zu deren Tod zu Hause gepflegt, monatelang waren gleich zwei alte Menschen rund um die Uhr zu versorgen. Verständnisvolle Unterstützung fand die heute 55-Jährige bei ihrer Familie und bei Freunden, auch ein Pflegedienst kam ins Haus. Doch ganz besonders freute sie sich stets über die Besuche des Ambulanten Hospizdienstes.

Antonia »Toni« Holtgrewe war 73 Jahre alt, als sie 2001 einen Schlaganfall erlitt, der sie rechts halbseitig lähmte. Auch das Sprechen fiel der Bäuerin aus Bentfeld danach schwer. »Sie war immer so tatkräftig und voller Energie«, erinnert sich die Tochter, »und deshalb war es das Schlimmste für sie, im Rollstuhl zu sitzen und auf Hilfe angewiesen zu sein«.
Die Eltern Georg und Toni Holtgrewe hatten bis 1994 eine Landwirtschaft mit Viehhaltung betrieben und wohnten im ersten Stock des Bauernhauses. Resi und Gerhard Bickmann (65) leben im Erdgeschoss, und so brauchte die Tochter nur eine Treppe raufzulaufen, um der bettlägerigen Mutter und dem Vater, Jahrgang 1915, bei der Bewältigung des Alltags zu helfen. Als Georg Holtgrewe Anfang 2002 an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankte, begann die anstrengendste Zeit in Resi Bickmanns Leben.
»Ich brauchte gar nicht mehr ins Bett zu gehen«, erinnert sie sich. Doch die Eltern in ein Pflegeheim zu geben, kam für die Tochter nicht in Frage; die Bindung war zu eng.
Nach dem Tod des Vaters im Juli 2002 wurde die Mutter noch hinfälliger und Familie Bickmann richtete der alten Frau eine Krankenstube im Wohnzimmer ein. »Da konnte sie immer bei uns sein, die Söhne haben sie besucht und ich konnte sie in der Küche hören«, erzählt Resi Bickmann. Doch die anstrengende Pflege und die lange Zeit ohne ausreichenden Schlaf zermürbten ihre Gesundheit und ihre Kraft. Mitte 2003 entschlossen sich die Bickmanns schweren Herzens, den Ambulanten Hospizdienst St. Johannisstift aufzusuchen - und bedauern heute, dass sie nicht schon früher diesen Schritt getan haben.
Mindestens zwei Mal in der Woche bekam die Familie Besuch von den beiden ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen Christa Bräutigam (52) und Helga Pundt (40). Sie setzten sich ans Bett der Schwerkranken, sprachen oder schwiegen mit ihr, je nachdem, welche Wünsche und Bedürfnisse diese gerade hatte. »Toni Holtgrewe war eine große Marienverehrerin«, weiß Christa Bräutigam noch gut, »und so habe ich viel mit ihr gesungen und gebetet«. Und Helga Pundt erzählt, dass sie auch manchmal sonntags gekommen war, damit Resi Bickmann zur Messe gehen konnte.
Teilnehmende, aufbauende Gespräche fanden auch mit den Angehörigen statt. »Wir verstehen uns als seelische Stütze«, erklärt Christa Bräutigam. Und Resi Bickmann versichert, dass es für sie wichtig gewesen war, »mal rauszukommen und mit anderen zu sprechen«.
Die beiden Hospiz-Mitarbeiterinnen sind beruflich als Krankenschwester und Buchhändlerin tätig und haben sich für die ehrenamtliche Arbeit als Sterbebegleiterin entschieden, »weil sie uns sehr bereichert«. Ein Dreivierteljahr haben sie Toni Holtgrewe besucht und sich dabei als Familienmitglieder gefühlt. Auch Resi Bickmann blickt dankbar zurück: »Gut, dass ich meine Eltern zu Hause gepflegt habe und dass uns der Hospizdienst unterstützt hat. Ich könnte sonst heute nicht zufrieden leben«.

Artikel vom 13.04.2005