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»Marcus-Wagen fährt sich romantisch«

Alois Vandiken präsentiert den Nachbau des ersten Autos mit Benzinmotor in Schlangen

Von Maike Stahl
Schlangen (SZ). Mit einem geschichtsträchtigen Gefährt reist Alois Vandiken aus Willebadessen am Samstag, 9. April, in Schlangen an. Er bringt den originalgetreuen Nachbau des »Zweiten Marcus-Wagens« mit, der als erstes benzingetriebenes Fahrzeug gilt und in den 70-er Jahren des 19. Jahrhunderts von Siegfried Marcus entwickelt wurde. Vandiken und sein »Marcus-Wagen« werden eine Attraktion bei der Einweihung des Drehmaschinendenkmals am Gewerbepark sein.

Damit präsentiert der 79-Jährige bereits zum zweiten Mal eine seiner Nachbauten in Schlangen. Im Jahr 2001 war er mit dem Nachbau eines Benz-Reitwagens, dem ersten in Europa konstruierten Motorrad mit Verbrennungsmotor, über die restaurierte Strothebrücke in Kohlstädt geknattert und hatte für viel Aufsehen gesorgt. Das Motorrad und der »Marcus-Wagen« sind die Prunkstücke in der Sammlung des Willebadessers. »Es sind die beiden einzigen Nachbauten im Maßstab 1:1«, berichtet Vandiken im Gespräch mit der SCHLÄNGER ZEITUNG. Daneben besitzt er noch eine ganze Reihe von Modellen von Landfahrzeugen im Maßstab 1:12.
Die Nachbauten sind mehr als ein Hobby von Alois Vandiken - sie sind seine Leidenschaft. Denn eigentlich wollte er schon in der Schule nur eines: Konstrukteur werden. Doch an eine Ausbildung war während der Kriegsjahre gar nicht zu denken. Bevor er die Schule abschließen konnte, musste er wie auch seine vier Brüder, in den Krieg ziehen und kehrte schwer verwundet aus Russland zurück. »Danach habe ich trotz meiner Verwundung noch 40 Jahre lang Baumaschinen gefahren bevor ich mit 58 Jahren in Frührente gegangen bin«, berichtet der Willebadesser. Von da an hatte er Zeit, seine Ambitionen doch noch, wenn auch im Kleinformat, zu verwirklichen.
Die Idee für den Nachbau des »Marcus-Wagens« hatte Vandiken vor Jahren. »Es gibt nur noch ein Exemplar und das steht im Museum, wo man es nicht anpacken und erst recht nicht fahren kann«, berichtet er. Das habe ihn schon immer an Museumstücken gestört. »Ein richtiges Gefühl für die Leistung, die hinter dem Bau dieses Fahrzeugs steckt, kriegt man doch erst, wenn man es mal ausprobieren kann.«
Gut ein Jahr hat er schließlich gebraucht, um seinen Nachbau nach alten Aufzeichnungen zu realisieren. »Das Schwierigste waren die Räder«, berichtet er. Denn die eisenbeschlagenen Buchenräder seien heute kaum noch zu bekommen. »Wenn sie auf dem Boden gestanden haben, sind sie stockig und nicht mehr zu gebrauchen«, weiß der Hobby-Konstrukteur. Ein halbes Jahr habe er deshalb nach gut erhaltenen Rädern suchen müssen. Mehr Glück hatte der findige Tüftler mit dem Motor: »Ein Bekannter hatte noch so ein altes Gartengerät, mit dem er sowieso nicht klar kam«, erzählt er. Aus dem Motor habe er schließlich den Viertakter gebaut, der sein Gefährt antreibt.
Und weil Vandiken eben kein weiteres Ausstellungsstück bauen wollte, sondern ein Demonstrationsobjekt, dürfen die Festbesucher natürlich auch mal eine Runde mit ihm und seinem »Marcus-Wagen« drehen. Das Fahrgefühl sei einmalig, besonders auf Kopfsteinpflaster, meint Vandiken. »Das ist richtig romantisch, wie es früher wahrscheinlich war. Aber eben auch nicht sehr komfortabel.«

Artikel vom 06.04.2005