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Räuber rennt gegen die Glastür

Prozess um vier Tankstellenüberfälle

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Profis waren diese beiden Tankstellenräuber nicht gerade. Demir K. (19) scheiterte an einer verschlossenen Eingangstür, sein Komplize Jury T. (24) machte es auch nicht besser: Er blieb ohne Beute, weil die Kasse klemmte.

Bei zwei anderen Überfällen hatte das Duo allerdings Erfolg. Das Landgericht Paderborn verurteilte T. gestern zu fünfeinhalb Jahren Haft, K. kam aufgrund seines Alters mit drei Jahren Jugendstrafe davon.
Weil sie keinen Job hatten und Geld brauchten, kamen die beiden Freunde im September vergangenen Jahres auf die Idee, Tankstellen auszurauben. Jury T. drückten zudem noch 7 000 Euro Schulden für einen Opel Calibra. Ihr erster Versuch endete indes kläglich. Beim Kauf eines Snickers-Riegels hatte T. die Öffnungszeiten der Tankstelle in Sande zwar genau erforscht. Doch der Tankwart machte an diesem Tag ein paar Minuten früher Feierabend. Als Demir K. kurz vor 22 Uhr, mit einem Totschläger bewaffnet, abkassieren wollte, rannte er gegen die Glastür und holte sich eine heftige Beule. »Er hatte sich zur Maskierung den Pullover über den Kopf gezogen und sah etwas wenig«, meinte sein Verteidiger.
Beinahe wäre auch der zweite Überfall wenig später in Steinheim schief gegangen. Die 76-jährige Kassiererin verstand zunächst nicht, was der mit einer Spielzeugpistole vor ihr stehende Kunde wollte und glaubte, er verlange einfach nur Wechselgeld für Zigaretten. Erst, als sie den Ernst der Lage erkannte, packte die alte Dame dann 700 Euro in eine Plastiktüte.
In Freudenberg bei Siegen mussten die Gangster nach nur einer Woche erneut abkassieren - sie hatten kein Spritgeld mehr. Die Beute betrug 520 Euro, aber ein Zeuge merkte sich das Kennzeichen des Calibra.
Bevor die Polizei Jury T. jedoch festnehmen konnte, versuchte er es - dieses Mal allein - in Wewer. Er war aus Paderborn mit dem Fahrrad angereist. »Geld her, ich schieße, ich schieße«, drohte der Maskierte, ergriff allerdings die Flucht, als sich Registrierkasse nicht öffnen ließ und die Inhaberin der Tankstelle, wegging, um den Schlüssel zu holen.
Bald darauf klickten auch schon die Handschellen.
Beide Angeklagte legten ein umfassendes Geständnis ab. Als Unschuldsknaben entpuppten sich die Freunde indes nicht. Jury T. stand schon achtmal vor Gericht. Demir K. hatte viermal Bekanntschaft mit dem Staatsanwalt gemacht. Während Staatsanwalt Heinz Albert zur Abschreckung drakonische Strafen von neun und fünfeinhalb Jahren forderte, stellten die beiden Verteidiger, Täter und Taten als eher harmlos dar - »Kleinkriminelle, dilettantische Vorgehensweise«.
Von minderschweren Fällen könne man keinesfalls sprechen, sagte Richter Stefan Schäfer in seiner Urteilsbegründung. Empfindliche Strafen seien deshalb tatangemessen.

Artikel vom 06.04.2005