06.04.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Brücken vor dem nahenden Feind gesprengt

Ende des Zweiten Weltkrieges - letzte Kampfhandlungen im Raum Blankenau - Zeitzeugen

Von Herbert Sobireg
Blankenau (WB). Anfang April 1945, vor 60 Jahren, ging der Zweite Weltkrieg auch im Kreis Höxter in die Endphase. Die Amerikaner rückten immer näher, die deutschen Soldaten zogen sich aus den Dörfern zurück, sprengten dabei Brücken in der Region, um den herannahenden Feind aufzuhalten. Mathilde Wessel, Ortsheimatpflegerin in Blankenau, hat Aufzeichnungen einer ganzen Reihe von Zeitzeugen gesammelt. Einige stellte sie jetzt dem WESTFALEN-BLATT zur Auswertung und Veröffentlichung zur Verfügung.

»Über Wehrden und Amelunxen war der Himmel am 7. April feuerrot. Wir wußten, die Amerikaner kommen«, so die Aufzeichnung des damals siebenjährigen Franz Tebbe. »Morgens kam ein deutscher Königstiger-Panzer durch unser Dorf, rollte aber weiter nach Karlshafen. Von dort hat er Herstelle beschossen. Das ganze Wesertal war voller Rauch. Später wurde erst die Wehrdener Bahnbrücke, dann die Beverunger Weserbrücke gesprengt. Um 11 Uhr sah mein Vater amerikanische Panzer aus Beverungen kommen. Josef Köhler ging den Soldaten mutig mit einer weißen Fahne entgegen. Als ich aus dem Keller kam, stand ein großer Panzer vor unserem Haus. Amerikaner suchten deutsche Soldaten. Einer sah ein Kruzifix in unserem Wohnzimmer. ÝNix NazisÜ, sagte er, danach wurde die Suche eingestellt. 20 Soldaten wurden bei uns einqartiert. Sie brauchten unsere Betten nicht, haben im Flur geschlafen. Die Amerikaner waren nett, gaben uns Schokolade und Kekse.«
Der damals zehnjährige Josef Schmidtken schrieb seine Eindrücke damals größtenteils in Stichworten auf. »Beschuss feindlicher Flieger auf einen Dampfzug unter der Hegge, Lokführer gestorben. Nächtlicher Bombenfall in Nähe der Wasserversorgung in Blankenau. Rund um Blankenau waren im Feld riesengroße Ballons verankert und große Winden aufgebaut. Diese Ballone sollten gasgefüllt feindliche Flieger stören und behindern. Sie hatten unendlich lange Seile. Nach Eintreffen der Amerikaner wurden die Ballone abgebaut. Aus der Außenhaut und der Ballonseide nähten sich die Leute Regenmäntel und Kleider.«
»Die Amerikaner kamen von Westen ins Dorf. Deutsche Soldaten, tags zuvor noch vom Sieg überzeugt, setzten sich in der Dunkelheit ab. Wir Bewohner waren glücklich, dass sie das Dorf verließen und keinen Widerstand mehr leisteten. Somit blieben Verwüstungen bei uns aus«, erinnert sich Heinz Hake. »Um das Forsthaus, in dem viele Zuflucht gesucht hatten, zu schützen, ging unser Vater nicht mit in den Keller sondern hielt ein weißes Tuch den Amerikanern als Zeichen entgegen, dass hier kein Widerstand geleistet wird.«
»In der Nacht auf den 7. April stand Wehrden unter Dauerbeschuss. Pfarrer Pater Friedel war Tag und Nacht in der Kirche und betete für seine Gemeinde«, sagen die Aufzeichnungen von Mathilde Köhler aus. »In ihren Häusern hatten alle Blankenauer Handwagen mit den nötigsten Sachen beladen, damit man schnell fliehen konnte. Gegen 12 Uhr kamen Panzer auf Blankenau zu, alle gingen in die Keller. Der erste Panzer schoss einen Warnschuss in den Baumgarten der Domäne. Splitter trafen das Haus Köhler, in dem Frau Köhler gelähmt im Bett lag. Am Sonntag gingen zig Granaten in der Nähe des Dorfes nieder - von deutschen Soldaten aus dem Solling. Die Amis antworteten mit Panzern und Flugzeugen. Der deutsche Beschuss war ein Racheakt des SS-Kompaniechefs. Laut Aussage von Josef Tilly, Pächter der Domäne, hatte dieser zu Blankenau gesagt ÝDas werden sie noch büßen, weil sie uns als Feinde bezeichnet haben.«

Artikel vom 06.04.2005