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Die großen Drei der Gemeinde

AWO-Erzählcafé rollt ein Stück Industriegeschichte auf


Steinhagen (LL). Das Erzählcafé nahm sich dieses Mal der großen Drei an. Die Firmen König, Mensching und Florex hatte Referent Gerd Sowa ausgewählt, um an ihnen, so das Thema des Nachmittags, die »sichtbare Endlichkeit in der Steinhagener Industriegeschichte« deutlich zu machen.
Die Leistung der Unternehmen war kaum zu unterschätzen: Sie hatten mit ihrem guten Ruf den Namen der Gemeinde verbreitet. »Handtücher von Florex waren nach dem Krieg in fast jedem Haushalt zu finden«, erzählte Gerd Sowa über den Aufschwung des Frottierwaren-Herstellers. Dieser war 1928 von zwei Herren an der Waldbadstraße gegründet worden. Anfangs sah das Ganze nicht sehr erfolgsversprechend aus. Die Produktionsstätte war klein, die ersten Produkte wurden noch mit dem Fahrrad von Haus zu Haus vertrieben.
Nach 1945 änderte sich das schlagartig. Der Bedarf nach Handtüchern, Bettwäsche und dergleichen war enorm. Auf dem Firmengelände wuchsen immer neue Gebäude in die Höhe, die Weber, die anfangs nur einen Webstuhl betreuen mussten, hatten auf dem Höhepunkt, 1980, 16 Stühle in ihrer Verantwortung.
»Die Verdienste der drei Firmen lagen nicht nur in ihren Produkten«, machte Gerd Sowa den etwa 20 Gästen klar, »sondern in den zahlreichen Arbeitsplätzen, die sie schufen«. Etliche Heimatvertriebene fanden gerade bei Florex eine Beschäftigung. Ende der 80er Jahre zählten die Unternehmen zusammen rund 3500 Mitarbeiter.
Gute Zeiten auch für das Gemeindesäckel: Das Aufkommen an der Gewerbesteuer ging derartig in die Höhe, dass, so Gerd Sowa, »die Gemeinde kaum wusste, wohin mit dem vielen Geld«. Beträge von knapp 17 Millionen Euro wurden jährlich erreicht. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es nur noch 12,8 Millionen Euro.
So sehr die Steinhagener Großbetriebe vom Wirtschaftswunder profitieren, so sehr litten sie auch unter der Konjunkturflaute. Die Konsequenz: Stellenabbau, Produktionsverlagerung und letztlich Insolvenz. Ebenso viele Steinhagener, die sich lange über einen Arbeitsplatz glücklich schätzten, mussten sich nach einer neuen Beschäftigung umschauen. »Heute beheimatet die Gemeinde vielleicht viele kleine Unternehmen«, sagte Gerd Sowa: »Aber immerhin ist sie wieder auf einem aufsteigenden Ast.«

Artikel vom 06.04.2005